Konferenz der Kälte

München · Abseits der großen Themen wie Syrien und der Ukraine-Konflikt gab es weitere Vereinbarungen bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ein Thema war auch die Flüchtlingskrise. Im Folgenden ein Überblick.

Das offizielle Programm einer Münchner Sicherheitskonferenz umfasst etwa 20 Stunden Reden und Diskussionen. Am Ende sind es aber meist nur ganz wenige Sätze, die über den Tag hinaus in Erinnerung bleiben. In diesem Jahr ist es vor allem ein Satz. Er stammt vom russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew und lautet: "Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht."

Die düstere Analyse von Medwedew, vorgetragen im Auftrag von Kremlchef Wladimir Putin, sorgte in München für viele Debatten. "Wir sind bestimmt nicht in einem Kalten Krieg", meinte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier . Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite fand die Lagebeschreibung des russischen Ministerpräsidenten dagegen sogar verharmlosend. Mit Blick auf das militärische Vorpreschen Russlands in der Ukraine und in Syrien sagte sie: "Das ist alles andere als kalt - das ist jetzt schon heiß."

Der Wunsch von Konferenzchef Wolfgang Ischinger , dass von München ein Signal der Hoffnung und des neuen Vertrauens ausgehen sollte, blieb jedenfalls ein frommer. Dabei waren die Voraussetzungen gar nicht so schlecht. Unmittelbar vor Beginn der Konferenz einigten sich fast alle für die Lösung des Syrien-Konflikts wichtigen Akteure in einer Nachtsitzung auf ein Papier, das die Fortsetzung des jungen Friedensprozesses ermöglichen soll. Es sieht humanitäre Hilfe für belagerte Gebiete und eine Feuerpause innerhalb einer Woche vor.

Die dringend benötigte humanitäre Hilfe ließ aber auch gestern auf sich warten. Die vom Westen kritisierten Bombenangriffe der russischen Luftwaffe hielten an. Medwedew sprach gleichzeitig in München davon, dass Vertrauen wiederhergestellt werden müsse. "Kann es wirklich sein, dass wir noch eine dritte weltweite Erschütterung brauchen, um zu verstehen, wie nötig jetzt die Zusammenarbeit ist und nicht die Konfrontation?", fragte er. Der Prozess der Vertrauensbildung müsse ohne Vorbedingungen sofort beginnen.

Das aktive Eingreifen russischer Streitkräfte in den Syrien-Konflikt hat dazu geführt, dass Russland wieder als unverzichtbarer Player auf dem internationalen Parkett wahrgenommen wird. Moskau kann sich mittlerweile erlauben die Hand entgegenstrecken, ohne Gefahr zu laufen, als Bittsteller angesehen zu werden. Noch 2014 verspottete US-Präsident Barack Obama das größte Land der Erde als "Regionalmacht". In München nennt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Russland nun wieder eine "internationale Macht" - zum ersten Mal in einer großen Rede.

Sind die entgegenkommenden Worte Russlands ernst zu nehmen? Die dazu passenden Taten fehlen jedenfalls. Putin wolle das Regime von Baschar al-Assad stützen und die Position Russlands im Nahen und Mittleren Osten stärken, wetterte der republikanische US-Senator John McCain . "Das Einzige, das sich an Putins Einstellung geändert hat, ist, dass sein Appetit beim Essen steigt."

Wenn am Wochenende etwas die Syrien-Diplomatie vorangebracht haben sollte, dann waren es nicht die Redebeiträge, sondern ein Telefonat zwischen Washington und Moskau. Putin und US-Präsident Barack Obama stellten sich dabei hinter die Vereinbarung von München zur Feuerpause. Immerhin. Wie schwer die Umsetzung eines solchen Abkommens ist, zeigt aber das Beispiel Ostukraine. Ein Jahr nach dem Minsker Friedensplan gibt es dort immer noch Kämpfe. Bei einem Außenministertreffen am Rande der Sicherheitskonferenz zogen Russland, die Ukraine, Deutschland und Frankreich eine ernüchternde Bilanz. "Die offenen Punkte lassen sich leicht benennen, aber bleiben schwer zu lösen", sagte Steinmeier.

Fast ebenso düster wie die Aussichten auf Frieden in der Ukraine und Syrien sind die auf ein gemeinsames Vorgehen der EU in der Flüchtlingskrise. Kurz vor einem wegweisenden EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel machte der französische Premierminister Manuel Valls klar, dass die Weichen weiter auf Konfrontation stehen - und dass Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Kurs ziemlich allein dasteht. "Frankreich hat sich engagiert, 30 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Dazu sind wir bereit, aber nicht zu mehr", ließ Valls erklären. Wohl kaum deutlicher hätte Deutschlands wichtigster Partner in der EU deutlich machen können, wo die Grenzen von Partnerschaft liegen. Drei Tage lang beraten Politiker aus aller Welt jedes Jahr in München . Auch dieses Mal gab es bei der Sicherheitskonferenz wieder schlagzeilenträchtige Äußerungen und Beschlüsse:

Deutschland verstärkt internationales Engagement: Angesichts der zahlreichen Krisen in der Welt kündigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) ein noch stärkeres internationales Engagement Deutschlands an. Der Flüchtlingsandrang zeige, dass die Konflikte "buchstäblich hier bei uns zu Hause angekommen" seien. Damit sei "die Frage nach internationaler Verantwortung für uns Deutsche eben überhaupt nicht abstrakt, sondern ganz konkret und unmittelbar". Die Flüchtlingskrise dürfe "keine Ausrede" für Abschottung sein, sagte Steinmeier.

Flüchtlingsausbildung durch die Bundeswehr : Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU ) will Flüchtlinge aus Syrien durch die Bundeswehr in zivilen Berufen ausbilden lassen. Wenn Syrien befriedet sei und die Flüchtlinge zurückkehrten, bräuchten sie eine "Starthilfe für die Zukunft", sagte von der Leyen in München . Die Bundeswehr könne mit einem zivilen Ausbildungsprogramm dazu beitragen. Als einer der größten Arbeitgeber bilde sie junge Menschen in mehr als 100 Berufen aus. Details zu dem Programm nannte sie nicht.

Wenig Optimismus für die Ukraine: Im Ukraine-Konflikt gab es immerhin ein Treffen im sogenannten Normandie-Format. Dabei kam Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) am Rande der Konferenz mit seinen Kollegen aus der Ukraine und Russland, Pawlo Klimkin und Sergej Lawrow , sowie einem ranghohen französischen Diplomaten zusammen. Dass das Treffen stattfand, war aber bereits die einzige gute Nachricht, Fortschritte gab es offensichtlich nicht. Steinmeier zeigte sich jedenfalls nach dem Treffen wenig optimistisch: "Natürlich sind wir von einer Lösung des Konflikts immer noch weit entfernt."

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HintergrundDie Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat den entwickelten Staaten eine erhebliche Mitschuld an den gewaltsamen Krisen in der Welt vorgeworfen. Viele Menschenrechtsverletzungen würden "mit Waffen, die westliche Mächte zur Verfügung gestellt haben", begangen, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty bei der Münchner Sicherheitskonferenz . "Einige dieser Gruppierungen" seien "sogar ausgebildet worden von westlichen Armeen". Dies führe zu einem "Teufelskreis der Gewalt". "Wir haben nicht nur eine Flüchtlings- und Sicherheitskrise, sondern auch eine Führungskrise", beklagte Shetty. afp

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