Kommunen machen Druck wegen Flüchtlingskosten

Berlin · Bisher hat der Bund geblockt. Eine Milliarde Euro als Hilfe für die Unterbringung von Flüchtlingen sollte genügen. Forderungen nach mehr ignorierte Berlin. Jetzt deutet sich Bewegung an.

Politiker aus Bund, Ländern und Kommunen haben am Wochenende weiter um die Frage gerungen, wer die steigenden Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen tragen soll. Die Kommunen verstärkten ihren Druck auf den Bund und warnten vor "sozialem Sprengstoff", wenn sie anderswo Ausgaben kürzen müssen. "Wenn in den Städten plötzlich Geld für Sport, Bildung und Kultur fehlt, weil es für Flüchtlinge gebraucht wird, führt das nicht zu einer höheren Akzeptanz", sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der "Passauer Neuen Presse". Die Aufgaben der Städte und Gemeinden seien "gewaltig".

Für 2015 und 2016 hat der Bund im Dezember zusätzliche Mittel von jeweils 500 Millionen Euro zugesagt, die an die Länder fließen und an die Kommunen weitergereicht werden sollen. Diese Vereinbarung basiert auf der Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von 300 000 Asylanträgen im Jahr 2015. Allerdings gehen viele Bundesländer von deutlich höheren Zahlen aus. Das Bundesinnenministerium wollte bislang nicht mehr Mittel bereitstellen. Minister Thomas de Maizière (CDU ) deutete gestern jedoch vorsichtig ein mögliches Entgegenkommen an. "Es wird Gespräche geben. Allerdings müssen dann auch die Länder ihren Teil der Aufgabe erfüllen", sagte er in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, dass der Bund den Kommunen die Kosten für die Unterbringung dauerhaft abnimmt.

Mehrere Politiker forderten am Wochenende einen Flüchtlingsgipfel, bei dem die Finanzierungslasten neu verteilt werden. Die stark ansteigenden Asylbewerber-Zahlen machten ein solches Treffen noch in diesem Sommer "zwingend erforderlich", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (CDU ) dem "Tagesspiegel am Sonntag".

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) befürchtet indessen nach dem Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Tröglitz Schaden für das Ansehen Deutschlands. Die Ereignisse seien "eine Schande", sagte er der "Welt am Sonntag". "Wir sollten nicht überrascht sein, dass auch bei unseren Partnern in der Welt mit großer Sorge registriert wird, wenn in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte brennen, und dass genau verfolgt wird, wie die deutsche Gesellschaft darauf reagiert."

Meinung:

Almosen reichen nicht

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Glaubt man einer neuen Emnid-Umfrage, dann hätten mehr als drei Viertel der Bundesbürger kein Problem, wenn in ihrer Umgebung ein Flüchtlingsheim entstünde. Jeder Vierte würde sogar bei sich Asylsuchende aufnehmen. Doch die schlimmen Bilder des Brandanschlages in Tröglitz haben sich ins Gedächtnis eingegraben. Beides passt nicht recht zusammen. Und die Regierung ist daran nicht unschuldig. Ausländerpolitik muss konkret sein. Und konstruktiv. Daran hapert es. Ein Beispiel ist die Finanzierung der Flüchtlinge . Seit geraumer Zeit streiten Bund und Länder darüber wie die Kesselflicker. Wegen der zahlreichen Krisenherde in der Welt sind die Flüchtlingszahlen regelrecht explodiert. So sind viele Kommunen überfordert und Flüchtlinge kampieren in katastrophalen Unterkünften. Der Bund kann sich hier nicht mit ein paar Almosen aus der Verantwortung stehlen. Eine rasche Lösung bei der Kostenverteilung wäre auch ein Rezept, um Ängste und Vorurteile abzubauen - auch wenn Umfragen zuweilen ein ganz anderes Bild malen.

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