Kommentar Für den Abschied ist es noch zu früh

Es gehört zu den Ritualen des EU-Wahlkampfes, dass viel von Defiziten gesprochen wird. Jean-Claude Juncker klammerte das nicht aus, verwies aber auch auf die vielen Errungenschaften, auch wenn sie – wie im Fall Griechenland – wohl eher im Vermeiden einer Katastrophe bestanden.

Kommentar zur Bilanz von Juncker: Für den Abschied ist es noch zu früh
Foto: SZ/Robby Lorenz

Für Juncker geht es dabei nicht nur darum, sein politisches Erbe zu retten. Er folgt der Absicht, das Erreichte nicht zu übersehen. Europa ist der erste und bisher einzige Markt, der dem Plastikmüll den Kampf angesagt hat. Aber es ist zugleich auch jene Staatenfamilie, die mit Herausforderungen wie der Migration nicht fertiggeworden ist. Die EU hat bei Gleichstellung und Menschenrechten viel erreicht, aber nicht verhindern können, dass das Mittelmeer zu einem Grab für Tausende wurde. Juncker hat das miterleben müssen, verantwortlich dafür ist er nicht. An der Spitze von 33 000 Beamten muss seine Behörde Kurs halten, während ihm die Hände gebunden sind, weil er ständig nach Kompromisslinien mit den Staats- und Regierungschefs suchen muss. Da war der selbstbewusste Luxemburger manches Mal ein wohltuend schwieriger, weil aneckender Präsident – und darüber hinaus auch der erste, den die Bürger direkt wählen konnten. Ein großartiger Fortschritt für eine Staatenfamilie, deren Bürger immer wacher auf undemokratische Strukturen reagieren. Genau genommen ist es viel zu früh, um Juncker abschließend zu würdigen. Denn er hat noch viel zu tun.

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