Kollege Roboter

Brüssel · Schöne neue Welt oder der künftige Jobkiller Nummer 1? Es gibt Hinweise, dass Roboter nicht im großen Stil Arbeitsplätze vernichten. Sicher ist: Die Arbeitswelt steht vor radikalen Veränderungen. Das ruft jetzt auch die EU auf den Plan.

 Hand drauf? Roboter spielen vor allem in der Industrieproduktion eine immer größere Rolle. Mit guten und schlechten Folgen.Foto: Fotolia

Hand drauf? Roboter spielen vor allem in der Industrieproduktion eine immer größere Rolle. Mit guten und schlechten Folgen.Foto: Fotolia

Foto: Fotolia

Roboter sind in Fabriken nichts Neues. Seit Jahren schultern sie, etwa in der Autoproduktion, wichtige Aufgaben. Wenn sie schweißen, lackieren oder tonnenschwere Lasten transportieren, ist der Mensch meist weit weg. Aus Sicherheitsgründen. Doch jetzt ändert sich etwas: Zunehmend arbeitet der Roboter dem Menschen zu. Der Arbeiter und die Maschine werden zum Partner. In Fabrikhallen vollzieht sich eine Revolution. Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Arbeitswelt. Experten gehen davon aus, dass dadurch bis etwa 2025 die Produktion radikalen Änderungen unterworfen wird. Aber auch andere Bereiche der Wirtschaft sind betroffen, Handel, Verkehr, ja selbst die Krankenpflege und die Landwirtschaft.

Das EU-Parlament hat sich mit den Folgen beschäftigt und erste Vorschläge vorgelegt, wie die Politik darauf reagieren soll. Der über 70 Seiten lange Bericht der luxemburgischen Sozialistin Mady Delvaux ist gerade fertig geworden und steht nächste Woche im Parlament zur Abstimmung. Doch bei der Industrie ist die Begeisterung begrenzt, dass die EU das wichtige Zukunftsthema entdeckt hat. Sie fürchtet, dass Überregulierung und Bedenkenträger die Geschäfte stören könnten.

Die Alarmglocken schrillen, weil die Parlamentarierin auch eine Steuer auf Roboter ins Gespräch bringt. In ihrem Bericht heißt es: Es solle "die Möglichkeit einer Besteuerung der von einem Roboter ausgeübten Tätigkeit" geprüft werden. Und weiter: Es könnten "Gebühren für die Nutzung und Haltung pro Roboter" erhoben werden. Mit dem Ertrag könnten Arbeitslose unterstützt und umgeschult werden, die durch die Robotisierung ihre Jobs verloren haben. Es gehe auch darum, "den sozialen Zusammenhalt und die Wohlfahrt zu bewahren". Der französische Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, Benoît Hamon, stößt ins gleiche Horn. Auch er geht davon aus, dass mit der Robotisierung den Menschen die Arbeit ausgeht.

Die Praxis in Deutschland legt aber anderes nahe: Wo Roboter in der Industrieproduktion zum Einsatz kommen, entstehen besonders viele neue Jobs. Zum Beispiel in der Autoindustrie: In der Branche gab es 2010 in Deutschland 720 000 Arbeitsplätze bei 77 000 Robotern, 2015 gab es 815 000 Jobs und 92 000 Roboter. In Deutschland wurden letztes Jahr 20 000 neue Industrieroboter aufgestellt, in Frankreich nur 3000. Klar, Frankreich ist kleiner. Doch es fällt auf: Deutschland stellt einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen auf, Frankreich hat mit Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen. Die führenden Roboternationen in Asien, Japan, Südkorea und Singapur, zeichnen sich ebenfalls durch Vollbeschäftigung und ein hohes Lohnniveau aus. Es gibt also durchaus Hinweise, dass Roboter keine Arbeitsplätze vernichten. Im Gegenteil, Renten- und Krankenkassen profitieren, wenn der Roboter häufiger zum Kollegen wird, weil dies neue Jobs schafft. Thilo Brodtmann vom Maschinenbauverband VDMA warnt denn auch: "Eine Robotersteuer wäre ein Jobkiller für Europa." Dank überlegener Technologien seien europäische Unternehmen wettbewerbsfähig gegenüber Ländern wie China oder den USA.

Der Delvaux-Bericht sieht zudem schwierige rechtliche Fragen aufkommen. Wer haftet, wenn Roboter Unfälle verursachen? These dabei ist, dass die Maschinen künftig nicht mehr simple Werkzeuge in den Händen ihrer Besitzer sind, sondern autonom unterwegs sind. Die bisherigen Haftungsregeln könnten nicht mehr ausreichen. Das EU-Parlament will daher die Kommission auffordern, ein Versicherungssystem für Roboter einzuführen. Auch hier ist die Industrie skeptisch. Das Parlament bringt einen verpflichtenden Fonds ins Gespräch, in den die Unternehmen einzahlen sollen - mit dem Geld sollen Opfer entschädigt werden.

Wenn das Parlament in der nächsten Woche den Bericht beschließt, ist erst einmal die EU-Kommission am Zug. Sie prüft, ob sie Bedarf für einen gesetzgeberischen Vorschlag sieht und wird dafür dann gegebenenfalls eine Richtlinie erarbeiten.

Zum Thema:

Deutschland liegt weltweit auf Platz 5 Mit rund 183 000 Stück hat Deutschland europaweit die höchste Dichte von Industrierobotern und liegt damit weltweit an fünfter Stelle nach Japan (287 000), China, den USA und Südkorea. Auf 10 000 Industrie-Arbeitsplätze kommen mittlerweile in Deutschland 300 Roboter. Branchenexperten gehen davon aus, dass weltweit bis zum Jahr 2019 1,4 Millionen neue Industrie-Roboter installiert werden. 40 Prozent davon werden in China aufgestellt werden. In Deutschland ist der Augsburger Hersteller Kuka der Marktführer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort