Koalitions-Krach wegen Betreuungsgeld

Berlin. Die Koalitionspläne für das Betreuungsgeld geraten ins Wanken. Nach einem Protestbrief von 23 CDU-Abgeordneten ging am Wochenende auch die FDP auf Distanz zu dem Vorhaben und plädierte für neue Gespräche

Berlin. Die Koalitionspläne für das Betreuungsgeld geraten ins Wanken. Nach einem Protestbrief von 23 CDU-Abgeordneten ging am Wochenende auch die FDP auf Distanz zu dem Vorhaben und plädierte für neue Gespräche. "Wenn in der Unionsfraktion bereits jetzt mehrheitsgefährdende Widerstände bestehen, sind wir offen für neue Gespräche", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring der Zeitung "Die Welt". "Das Betreuungsgeld ist nie Wunsch der FDP gewesen", machte er zugleich deutlich. Ähnlich äußerte sich in der "Welt am Sonntag" Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin forderte die CDU in der ARD auf, das Vorhaben des Betreuungsgeldes aufzugeben, weil es "falsche Anreize" liefere.Spitzenpolitiker von CDU und CSU bekräftigten dagegen, sie wollten an der umstrittenen Zahlung für Eltern festhalten, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken.

Die 23 CDU-Bundestagsabgeordneten hatten zuvor in einem Brief an Unions-Fraktionschef Volker Kauder angekündigt, sie würden den Koalitionsplänen für das Betreuungsgeld im Bundestag in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Das Schreiben vom 23. März wurde nach einem Bericht der "Welt" auch von den stellvertretenden Unions-Fraktionschefs Ingrid Fischbach und Michael Kretschmer, dem Gesundheitsexperten Jens Spahn und der Kulturpolitikerin Monika Grütters unterzeichnet.

Das Betreuungsgeld war auf Druck der CSU von der Koalition beschlossen worden. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär kritisierte den Widerstand dagegen als "sinnloses Aufbäumen". "Das Betreuungsgeld wird auf jeden Fall kommen", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel". "Das Betreuungsgeld wurde auf einem CDU-Parteitag beschlossen und seine Einführung als Barleistung im Koalitionsausschuss vereinbart. Dazu stehen wir", erklärte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Noch offene Fragen sollten bei der weiteren Ausarbeitung geklärt werden.

SPD-Parteivize Manuela Schwesig forderte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) auf, das Betreuungsgeld zu stoppen. Die Ministerin mache sich "zur Gehilfin einer rückwärtsgewandten CSU-Familienpolitik", erklärte Schwesig in Berlin.

SPD und Grüne fordern, die für das Betreuungsgeld vorgesehenen 1,2 Milliarden Euro pro Jahr besser für neue Kita-Plätze oder den Ausbau von Ganztagsschulen einzusetzen. "Es gibt keine Mehrheit für die Herdprämie", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Auch der DGB wandte sich erneut gegen das Betreuungsgeld. afp

Foto: Krumm/dpa

Meinung

Ein Großkonflikt bahnt sich an

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Die Entfremdung in der schwarz-gelben Koalition macht weiter Fortschritte. Sie steuert jetzt beim Betreuungsgeld auf einen veritablen Großkonflikt zu. Schon die 23 bekennenden Nein-Sager aus der CDU würden reichen, um das zweifelhafte Projekt zu Fall zu bringen. Tatsächlich dürfte der Widerstand unter den Abgeordneten der Regierungsparteien aber noch viel massiver sein. Die FDP ist gerade dabei, sich wieder ein bisschen Leben einzuhauchen. Was mit der Durchsetzung von Joachim Gauck als Staatsoberhaupt begann und sich gerade erst mit der harschen Ablehnung einer Transfergesellschaft für arbeitslose Schlecker-Frauen fortsetzte, könnte bei den Liberalen in der erfolgreichen Bekämpfung des Betreuungsgeldes gipfeln. Eine gesichtswahrende Lösung für alle drei Regierungsparteien ist jedenfalls nicht in Sicht.

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