Koalition will kalte Progression mildern

Berlin · Um drei Milliarden Euro will das Bundeskabinett die Bürger von den Folgen der kalten Progression entlasten. Möglich soll das eine Senkung des Einkommenssteuer-Satzes machen – ab 2016.

Die große Koalition will nach "Spiegel"-Informationen die Steuerzahler noch in dieser Legislaturperiode von den Folgen der kalten Progression entlasten. 2016 sollten die Sätze in der Einkommenssteuer um zwei Prozent sinken und die Steuerzahler so um rund drei Milliarden Euro entlastet werden, berichtet das Magazin. Entsprechende Pläne des Finanzministeriums habe Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) jüngst den Koalitionären vorgetragen.

Auf diese Weise will der Staat zumindest Teile jener zusätzlichen Steuereinnahmen an die Bürger zurückgeben, die er nur der Inflation verdankt. Die kalte Progression bezeichnet das Phänomen, dass ein Arbeitnehmer bei einer Gehaltserhöhung mehr Steuern zahlen muss, die Inflation aber gleichzeitig einen Teil des Lohnanstiegs entwertet. Das real verfügbare Einkommen kann durch den Effekt sogar sinken. Die neue Debatte über einen Abbau der kalten Progression war durch die rekordverdächtigen Steuereinnahmen im März angefacht worden.

Schäuble rechnet laut "Spiegel" bis 2018 mit rund 40 Milliarden Euro an Mehreinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden. Das Plus für 2014 liegt demnach bei 2,7 Milliarden Euro, 2015 schon bei sieben Milliarden Euro. In den beiden Folgejahren kommen dem Bericht zufolge jeweils rund neun Milliarden Euro zusätzlich in die öffentlichen Kassen. 2018 erwartet Schäuble demnach etwa elf Milliarden Euro mehr als noch im November geschätzt.

Die SPD streitet derweil über ihren finanzpolitischen Kurs. SPD-Chef Sigmar Gabriel bekräftigte im "Spiegel", Steuererhöhungen dürften "für die SPD nicht zum Selbstzweck werden". "In einer Zeit sehr hoher Steuereinnahmen muss zu den beiden Zielen Konsolidieren und Investieren ein drittes Ziel hinzutreten: die Steuerentlastung der mittleren Einkommen durch die Beseitigung der kalten Progression." Die kalte Progression sei "sozial ungerecht". Führende Sozialdemokraten stellen sich gegen diesen Kurs: "Ich erwarte von meiner SPD und ihrem Vorsitzenden, dass wir konsequent für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen", sagte beispielsweise SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer.

Ökonomen forderten unterdessen in der "Welt" eine Korrektur der kalten Progression. Diese sei "eine verdeckte Steuererhöhung, durch die der Staat erhebliche Mehreinnahmen erzielt", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Christoph Schmidt. Auch der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, mahnte, die kalte Progression führe dazu, "dass sich der Staat einen immer größeren Prozentsatz der privat erwirtschafteten Einkommen einverleibt".

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