Zerbrochene Koalition in Österreich Das war’s, Herr Strache

Wien · Der Schock sitzt tief. In Österreich fliegt die Koalition nach dem Skandal-Video des FPÖ-Chefs auseinander. Wie geht es jetzt weiter?

 Am Boden: Heinz-Christian Strache, Bundesobmann der FPÖ und Vizekanzler, verkündete am Samstag seinen Rücktritt. Damit zog der 49-Jährige die Konsequenzen aus einem Video, das nicht nur in Österreich schockiert.

Am Boden: Heinz-Christian Strache, Bundesobmann der FPÖ und Vizekanzler, verkündete am Samstag seinen Rücktritt. Damit zog der 49-Jährige die Konsequenzen aus einem Video, das nicht nur in Österreich schockiert.

Foto: dpa/Helmut Fohringer

Als der Kanzler das Ende der Koalition in Österreich verkündete, klang seine Bilanz eindeutig. „Die FPÖ kann es nicht“, sagte Sebastian Kurz am Samstagabend vor Journalisten. Zugleich machte die späte Entscheidung des ÖVP-Vorsitzenden aber auch klar, dass der 32-Jährige vieles versucht hatte, die Koalition nach der Video-Affäre und dem folgenden Rücktritt von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache doch noch zu retten.

„Es ging um einen Neustart ohne Skandale und ohne Kickl“, bestätigten Regierungskreise am Sonntag. Innenminister Herbert Kickl ist einer der Scharfmacher in den Reihen der FPÖ. Doch zu diesem Opfer waren die Freiheitlichen nicht bereit. 18 Monate nach dem Start ist das europaweit mit Argusaugen verfolgte Projekt einer Koalition von Konservativen und Rechtspopulisten gescheitert.

Die Folgen für Österreich, aber auch für den bisherigen Aufschwung der Rechtspopulisten, sind noch schwer zu überschauen. So kommt die Strache-Affäre für die neue Rechts­allianz des Italieners Matteo Salvini zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Am Samstag feierte sie vor dem Mailänder Dom den „historischen Moment“ eines angeblichen Aufbruchs in eine „neue Ära“. Zwar ließen sich Salvini und Fans die Laune nicht verderben – und AfD-Chef Jörg Meuthen versicherte, die FPÖ bleibe enger Partner. Aber für die neue „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ ist der FPÖ-Skandal ein Schlag in die Magengrube.

Sie verliert eine ihrer wenigen Regierungsbeteiligungen in Europa – das Bündnis von FPÖ und ÖVP in Wien galt als Vorzeigeprojekt. Strache habe mit seinem heimlich gefilmten Auftritt nicht nur sich bloßgestellt, meinte der Wiener „Kurier“: „Strache hat den Rechtsextremen in Europa unfreiwillig die Hose ausgezogen, sie stehen nackt da.“

Das von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ veröffentlichte Video aus dem Juli 2017 hat nicht nur in Österreich schockiert. Einer angeblich schwerreichen russischen Investorin verspricht ein angetrunkener Strache im Fall eines von ihr unterstützten FPÖ-Wahlsiegs Einfluss ohne Grenzen: „Dann können wir über alles reden.“ Bei einer Übernahme der einflussreichen „Kronen Zeitung“ durch die vermeintliche Oligarchen-Nichte könnten gleich drei, vier Köpfe im Sinne der FPÖ rollen. „Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen“, so Strache. „Journalisten sind sowieso die größten Huren auf dem Planeten.“ Er unterstreicht seine Nähe zu Moskau: „Wir haben die Dekadenz im Westen...im Osten sind sie normal.“

Ein juristisches Nachspiel ist ebenfalls absehbar. Straches Äußerungen im Video über angebliche hohe Parteispenden an einen gemeinnützigen Verein – und damit am Rechnungshof vorbei – sollen trotz der Dementis aller erwähnten Vermögenden nun unter die Lupe genommen werden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, emotional wie selten, sah im Video ein „verstörendes Sittenbild“ und fürchtet um den Ruf des Landes.

Ein großes Fragezeichen steht hinter der Rolle des Satirikers Jan Böhmermann. Wie sein Manager bestätigte, kannte Böhmermann das Video seit Wochen. Dieses Wissen war auch Grundlage für einen zunächst bizarren Auftritt Böhmermanns bei der Vergabe des österreichischen Romy-Akademiepreises am 11. April: In einer Video-Botschaft meinte der 38-Jährige, er könne den TV-Preis nicht persönlich abholen, weil er „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge“. Außerdem verhandele er gerade, wie er die „Kronen Zeitung“ übernehmen könne.

  Ein Screenshot des Beweis-Videos: Österreichs späterer Vizekanzler Heinz-Christian Strache (r) im Juli 2017 im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin (nicht im Bild). Daneben: vermutlich die Frau von FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus, der ebenfalls anwesend war.

Ein Screenshot des Beweis-Videos: Österreichs späterer Vizekanzler Heinz-Christian Strache (r) im Juli 2017 im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin (nicht im Bild). Daneben: vermutlich die Frau von FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus, der ebenfalls anwesend war.

Foto: dpa/-

Für die FPÖ ist die Entwicklung ein Supergau. Sie hatte sich unter Strache über Jahre mehr und mehr regierungsfähig gemacht. „Diese Strategie ist jetzt gescheitert“, sagt Politikberater Thomas Hofer. Anfang September soll das Land ein neues Parlament wählen. Als Alternative zur FPÖ drängt sich nun die eigentlich zutiefst ungeliebte Koalition mit den Sozialdemokraten auf.

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