Klaus Erforts Spiel mit den Sinnen

Saarbrücken. Ein Jahr lang hat er auf diesen Moment hingearbeitet. Eine Zeit, in der ein Gedanke fast rund um die Uhr sein Denken, Fühlen und Handeln bestimmte: die Suche nach dem ultimativen Geschmackserlebnis für ein Dessert. Sein Dessert. Jetzt will Tobias Geil (24) aus Monzernheim bei Alzey Klarheit. Erst vor vier Wochen ist er neu zum Team im "Gäste-Haus Erfort" gestoßen

 Klaus Erfort ganz entspannt - doch meistens ist der Drei-Sterne-Koch hoch konzentriert bei der Arbeit und immer auf der Suche nach neuen Kreationen. Fotos: Oliver Dietze

Klaus Erfort ganz entspannt - doch meistens ist der Drei-Sterne-Koch hoch konzentriert bei der Arbeit und immer auf der Suche nach neuen Kreationen. Fotos: Oliver Dietze

Saarbrücken. Ein Jahr lang hat er auf diesen Moment hingearbeitet. Eine Zeit, in der ein Gedanke fast rund um die Uhr sein Denken, Fühlen und Handeln bestimmte: die Suche nach dem ultimativen Geschmackserlebnis für ein Dessert. Sein Dessert. Jetzt will Tobias Geil (24) aus Monzernheim bei Alzey Klarheit. Erst vor vier Wochen ist er neu zum Team im "Gäste-Haus Erfort" gestoßen. Alle Augen in der Küche richten sich jetzt auf den Chef. Wie wird Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort (40) den Vorschlag seines Mitarbeiters beurteilen? Der Name des Desserts: "Getreideacker". Die Zutaten: Caramelleis, gepuffter Weizen, Malzgelee, Cola-Granité. Es folgt ein langer, prüfender Blick auf die Gesamtkomposition. Klaus Erfort probiert. "Sag' mal was dazu", bittet der Chef. Er habe etwas mit Malz kreieren wollen, erklärt Tobias Geil. Erfort probiert erneut, zögert, empfiehlt eine kleine Änderung. Doch dann sagt er: "Weltklasse." Das Gericht hat Chancen, auf die Speisekarte zu kommen."Ich lebe von den Anregungen meiner Mitarbeiter", sagt Erfort. Doch seine Anforderungen sind enorm hoch. "Meinen Anspruch erkennen und erfüllen zu können, das ist nicht einfach." Seine Philosophie besteht darin, aus verschiedensten geschmacklichen Komponenten, die auch im Gegensatz zueinander stehen können, ein neues Geschmackserlebnis zu schaffen. Durch die Kombination von Süß und Sauer, Mild und Scharf. "Ich will einen Spannungsbogen erzeugen. Es ist ein bisschen wie ein Spiel", beschreibt Erfort seine Kochkunst. Die auch von der Botschaft lebt: Weniger ist mehr. So würden einzelne Geschmacksbotschaften verstärkt. Eine besondere Leidenschaft hat Erfort für Fisch. So sind für ihn Langustinos auf Meersalz, die im Ofen bei 200 Grad zubereitet werden und nach seinen Worten erst auf dem Weg zum Tisch ihre Vollkommenheit erlangen, eine der Herausforderungen, die er gerne auf der Karte des "Gäste-Hauses" sieht.

Die Adresse in der Mainzerstraße ist spätestens seit der Eroberung des dritten Sterns am Gastro-Himmel vor drei Jahren sogar weltweit bekannt: Selbst die "New York Times" hat von den besonderen Geschmackserlebnissen an der Saar schon Kenntnis genommen. Bewerbungen kommen aus ganz Europa, auch aus Übersee. Doch nur die Besten halten den Stress länger durch. Denn der Weg in dieser Liga ist steinig, hart und gnadenlos. Freizeit steht ganz hinten an. Schon um 8 Uhr morgens ist die gesamte Crew in der Küche aktiv. An gut besuchten Tagen gehen die letzten erst um 2 oder 3 Uhr nachts nach Hause. Mehr als eine kurze Pause ist meist nicht drin.

Wie bei einem Uhrwerk, in dem alle Rädchen ineinandergreifen, hat jeder seine Aufgabe. Auch Silvio Del Fabro (25) aus Püttlingen-Köllerbach. Er sagt von sich, "den Joker" gezogen zu haben. Schließlich ist das "Gäste-Haus Erfort" eines von nur neun Drei-Sterne-Häusern in Deutschland. Del Fabro ist zuständig für Beilagen und Suppen. "Ich will das Maximale aus mir rausholen", erzählt der Koch. Er greift zur Lieferung frischer Tomaten, prüft die Qualität. Reif, glänzend, einladend. Daraus wird heute eine Tomatentarte mit Sardinen und Auberginenkaviar. Im "Gäste-Haus" schätzt Del Fabro besonders "Kabeljaukutteln mit Saubohnen." Sein Lieblingsessen privat? Da lacht der junge Mann: "Rohesser mit Knoblauchmajo und Baguette."

Klaus Erfort ist immer hoch konzentriert. Selbst in Momenten des Gesprächs hat er die Crew im Blick, sieht alles, greift ein, korrigiert Abläufe in der Küche. Sein Wissen habe er sich weniger durch Schulbildung als durch ständige Aufmerksamkeit angeeignet. Durch Zähigkeit und den unbedingten Willen zum Erfolg. Der ist ihm nicht in die Wiege gelegt. Schon mit sechs Jahren verliert er seine Mutter bei einem Autounfall. Er marschiert früh alleine los ins Leben, den Blick immer nach vorne gerichtet. Doch wohin will er?

Halt findet Klaus Erfort während eines Schulpraktikums in der legendären "Winzerstube" in Saarbrücken. Vor 25 Jahren ist das Lokal der Familie Kubig unter den Kochkünsten von Rudi Kubig ein Renner. Eine goldene Zeit für die Gastronomie sei das gewesen. Disziplin lernt er dort, auch Respekt vor Menschen, vor Gästen. "Ich wollte ein Stück weit geordnete Verhältnisse in meinem Leben. Vielleicht gerade, weil sie mir früh verloren gegangen sind", sagt er. Es folgen weitere Stationen: Restaurant Thiel in Saarbrücken, die Villa Fayence in Wallerfangen, das Hotel Hubertus in Tholey. 1992 wagt der aufstrebende Koch den Sprung aus dem Saarland hinaus in eines der angesehensten Restaurants in Baden-Württemberg, das "Bareiss". Hier wird er "Chef Saucier". Der Einstieg in die große gastronomische Welt beginnt. Über manche Eindrücke lächelt er heute: "Da wurden Trüffel für das ganze Jahr eingekocht im Gesamtwert von 40 000 bis 50 000 Mark."

Erstmals lernt er auch die Macht von Restaurant-Testern kennen. Menschen, die über Existenzen entscheiden, den Daumen heben oder Karrieren brüsk beenden. Es ist die Zeit von Namen wie Wolfram Siebeck und Gerd von Paczensky. "Ich bin damals in diese für mich neue Welt reingerutscht und wusste nicht wirklich, auf was ich mich da einlasse. Ein halbes Jahr habe ich um meine Existenz gekämpft, hatte jede Menge Nachholbedarf. Dann hat es aber irgendwann doch klick gemacht. Von da an wusste ich: Diesen Weg will ich gehen." Sein Weg führt weiter in die "Traube" in Baiersbronn. Dort trifft er auf Spitzenkoch Harald Wohlfahrt. Ein Vorbild bis heute. Zwar habe man sich öfter auch gezofft, aber Wohlfahrt verfüge über eine einzigartige Gabe: eine exzellente Geschmackssicherheit. "Er hat mir das Kapital mitgegeben, genau das zu machen, was ich heute mache."

In seiner Zeit als "Chef Cuisine" in der "Orangerie" im Parkhotel Gengenbach in Völklingen holt Erfort den ersten Stern, bevor er als Küchenchef ins Gourmet-Restaurant "Imperial" im Schlosshotel Bühlerhöhe in Baden-Baden wechselt. Dort trifft er auch Jérôme Pourchère, der seit zehn Jahren als Restaurantchef im "Gäste-Haus Erfort" wirkt. Über seinen Chef sagt Pourchère: "Ich war von Anfang an fasziniert davon, wie er kocht. Er ist geradeaus, hat ganz klare Vorstellungen. Er kann enorm motivieren und hat den Beruf im Blut." Pourchère rät, keine Berührungsängste vor einem Besuch im Drei-Sterne-Restaurant zu haben. Manche hätten Angst, etwas falsch zu machen. Diese Angst brauche man nicht zu haben. Und falls gewünscht, würden Abläufe gerne dezent erklärt, sagt Pourchère.

 Besprechung mit dem Chef: Sterne-Koch Klaus Erfort (r.) hat die Abläufe in seinem "Gäste-Haus" stets im Blick.

Besprechung mit dem Chef: Sterne-Koch Klaus Erfort (r.) hat die Abläufe in seinem "Gäste-Haus" stets im Blick.

Erfort freut sich schon auf Wirsing und Rotkohl - der Herbst ist da. Zeit für neue Geschmackserlebnisse. Selbst zu nächtlicher Stunde kann man den erfolgreichen Geschäftsmann, der auch die "Schlachthof-Brasserie" und das "Hotel Fuchs" am St. Johanner Markt betreibt, noch "erwischen", wie er im Hinterkopf mit Zutaten komponiert. "Ich liebe meinen Beruf", sagt er. Bleibt zu klären: Was isst der Drei-Sterne-Koch gerne privat? "Alles aus Mutters Küche. Besonders Rinderroulade. Das ist viel Arbeit, die richtig zuzubereiten", sagt Erfort. Er muss es wissen.

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