Klage über Folter und Vergewaltigung

Tripolis. Mit Rückendeckung der internationalen Luftstreitmacht marschiert Libyens bewaffnete Opposition nun Richtung Tripolis, um Diktator Muammar al-Gaddafi zu vertreiben. Alliierte Kampfbomber hatten am Wochenende mit massiven Attacken auf Gaddafis Panzer- und Artilleriestellungen rund um die strategisch wichtige Küstenstadt Ajdabiya den Weg Richtung Westen freigeschossen

 Die Libyerin Iman Al-Obeidi berichtet von Folter und Vergewaltigung durch libysche Soldaten. Foto: dpa

Die Libyerin Iman Al-Obeidi berichtet von Folter und Vergewaltigung durch libysche Soldaten. Foto: dpa

Tripolis. Mit Rückendeckung der internationalen Luftstreitmacht marschiert Libyens bewaffnete Opposition nun Richtung Tripolis, um Diktator Muammar al-Gaddafi zu vertreiben. Alliierte Kampfbomber hatten am Wochenende mit massiven Attacken auf Gaddafis Panzer- und Artilleriestellungen rund um die strategisch wichtige Küstenstadt Ajdabiya den Weg Richtung Westen freigeschossen. Die Rebellen befanden sich gestern Nachmittag schon auf dem Weg nach Sirte, Gaddafis Geburtsstadt, 450 Kilometer östlich von der Hauptstadt Tripolis entfernt."Es lebe Amerika, es lebe Obama", jubeln tausende von Menschen auf den Straßen Ajdabiyas, einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern im Osten Libyens. Sie feiern die Befreiung ihres Ortes durch die westlich-arabische Koalition mit Hupkonzerten und Maschinenpistolensalven, schwenken Fahnen, umarmen sich. Qualmende Stahlgerippe von Panzern und Militärlastern auf der Ringstraße rund um Ajdabiya zeugen von den Luftangriffen. Alliierte Kampfjets hatten die Stellungen der Gaddafi-Truppen ins Visier genommen und mit Raketen zerstört.

Wie viele libysche Soldaten bei diesen massiven Luftangriffen umkamen, ist nicht bekannt. Nach Angaben der Rebellen konnten später etliche Gaddafi-Soldaten gefangen genommen werden. Auch einer der ranghöchsten Armeeführer Gaddafis, der wegen seiner Brutalität gefürchtete General Bilgasim Al-Ganga, Nummer drei in der libyschen Armee, sei in Gefangenschaft. Die Küstenstadt Ajdabiya war eine Woche lang von der libyschen Armee belagert und beschossen worden.

Die bewaffneten Truppen der Opposition konnten dank der Luftattacken ungehindert in Ajdabiya einmarschieren. Die Rebellen nutzten die Flucht des libyschen Militärs, um gleich weiter Richtung Westen vorzudringen, wo sie gestern auch die wichtigen Ölhäfen Brega und Ras Lanuf sowie die Stadt Uqayla zurückeroberten. Gestern Nachmittag rückten die Aufständischen, ohne auf großen Widerstand zu stoßen, weiter Richtung Bin Jaward und Sirte vor. Gaddafis Soldaten seien angesichts der Luftangriffe demoralisiert, berichtete ein Rebellensprecher. "Sie werfen ihre Waffen und Uniformen weg und verkleiden sich als Zivilisten."

Mit ähnlichen Luftattacken wie in Ajdabiya versucht die Koalition nun auch, der eingeschlossenen Großstadt Misurata zu helfen. Was jedoch schwierig ist, da Libyens Armee inzwischen auch Panzer mitten in der Stadt zwischen Wohnhäusern platziert haben soll. Ein Arzt berichtete im britischen Sender BBC: "Gaddafis Truppen benutzen Zivilisten und Gebäude als Schutzschilde."

Libyens Regimesprecher Mussa Ibrahim behauptete erneut, dass bei den alliierten Luftangriffen "viele Zivilisten getötet wurden". Auch das libysche Staatsfernsehen zeigt täglich Bilder von angeblichen zivilen Opfern. Westliche Berichterstatter werden aber zugleich von Gaddafis Geheimpolizei daran gehindert, diese Angaben zu überprüfen.

US-Verteidigungsminister Robert Gates konterte mit dem Vorwurf, dass Gaddafi Todesopfer seiner eigenen Untaten als "zivile Opfer" präsentiert. "Wir haben viele Geheimdienst-Informationen, wonach Gaddafi Leichen von Menschen, die er getötet hat, zu jenen Orten bringt, an denen wir angegriffen haben." Solche Berichte fügen sich zu Informationen, wonach die Geheimpolizei in Tripolis und anderen Städten Oppositionelle gezielt tötet und die Leichen dann zunächst irgendwo verschwinden lässt.

Derweil bekamen ausländische Journalisten, die in Tripolis ausharren, eine Ahnung, wie Gaddafi mit der Opposition umspringt: Als eine libysche Frau ins Journalistenhotel kam und über Folter und Vergewaltigung durch libysche Soldaten berichtete, wurde sie von Gaddafis Schergen weggezerrt. Berichterstatter, welche sich in den Weg stellten, die Frau schützen wollten, wurden ebenfalls angegriffen, ihre Ausrüstung zerstört. Regimesprecher Ibrahim sagte später in gewohnt zynischer Manier, die Frau sei "betrunken gewesen".

Hintergrund

Die Libyen-Politik der Bundesregierung bleibt auch im eigenen Lager umstritten. Die CDU-Politiker Volker Rühe und Wolfgang Bosbach erklärten das Verhalten Deutschlands grundsätzlich für falsch. Rühe nannte die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat über einen Militäreinatz einen schwerer Fehler von historischer Dimension. Bosbach sagte, Deutschland hätte an der Seite seiner europäischen und amerikanischen Partner stehen müssen. dapd

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