Kitas fehlen 120 000 Erzieher

Gütersloh · Kita-Kinder brauchen Zuwendung und individuelle Förderung. Doch in den deutschen Betreuungseinrichtungen fehlt Personal. Länder und Sozialverbände fordern deshalb mehr Geld und Unterstützung vom Bund.

Zu viele Kinder, zu wenige Erzieher : Die Bertelsmann-Stiftung schlägt mit einer Studie zum Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten Alarm. Laut der gestern veröffentlichten Erhebung fehlen bundesweit rund 120 000 Erzieher . Familienministerin Manuela Schwesig (SPD ) bekräftigte ihre Zusage nach mehr Unterstützung für das Betreuungspersonal. Sozialverbände, Gewerkschaften und Opposition forderten gesetzliche Qualitätsstandards und mehr Geld vom Bund, um die Mehrkosten zu stemmen.

"Wir brauchen nicht nur mehr Plätze, sondern auch gute Plätze", erklärte Schwesig. Deshalb müsse man Wege finden, Kita-Erzieher besser zu unterstützen. Das werde auch Thema des Kita-Gipfels im Herbst sein. Der Bund investiert in dieser Legislaturperiode eine Milliarde Euro für den Kita-Ausbau. Zudem sollen Ländern und Kommunen ab 2017 weitere 100 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Die Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass für das zusätzliche Personal Kosten in Höhe von rund fünf Milliarden Euro pro Jahr anfallen.

Der Analyse nach gibt es von Bundesland zu Bundesland erhebliche Unterschiede. Bei den unter Dreijährigen ist ein Erzieher in Bremen und Baden-Württemberg im Schnitt für drei Kinder zuständig, in Sachsen-Anhalt, dem Schlusslicht der Studie, hingegen für 6,7 Kinder. Laut Bertelsmann-Stiftung sollte das Verhältnis in dieser Altersgruppe nie größer als eins zu drei sein.

Ähnlich groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern auch in Kitas für Kinder ab drei Jahren. Hier liegt der Personalschlüssel im Westen bei 1 zu 9,1 und im Osten bei 1 zu 12,7. Vorzeigeländer sind erneut Bremen (1 zu 7,7) und Baden-Württemberg (1 zu 8). Am anderen Ende steht Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 14,9). Dabei sollte laut Stiftung in dieser Altersgruppe der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein. Und in der Praxis sei das Betreuungsverhältnis sogar noch ungünstiger, hieß es. Tatsächlich könne ein Erzieher nur 75 Prozent seiner Zeit für die Kinder aufwenden, der Rest entfalle auf Teamgespräche, Fortbildung und Urlaub.

Der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger, sprach sich daher für eine bundesweite Qualitätsoffensive aus. "Wir brauchen dringend einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt sind." Dafür sei aber vor allem ein "stärkeres finanzielles Engagement des Bundes" gefragt.

Auch Sozialverbände halten ein Qualitätsgesetz für den richtigen Weg. "Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, die dazu beitragen, dass alle Kinder gleiche Chancen bekommen, und die verlässliche Bedingungen für die Fachkräfte schaffen", sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützte die Forderung. Ein solches Gesetz sei längst überfällig.

Für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) müssten die Unterschiede in den Ländern Grund genug für ein solches Gesetz sein. Ähnlich äußerte sich das Deutsche Rote Kreuz. Besonders für Kinder aus Familien mit geringen Bildungschancen müsse es Erzieher geben, die ausreichend Zeit hätten.

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