Kerry auf Versöhnungs-Kurs in Berlin

Berlin · US-Außenminister John Kerry schlägt bei seinem Berlin-Besuch wie erwartet versöhnliche Töne an. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hielten sich mit expliziter Kritik zurück.

Die erwarteten klaren Worte zur Spähaffäre blieben aus: Bei seinem ersten Deutschland-Besuch nach den Enthüllungen über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA hat US-Außenminister John Kerry dazu aufgerufen, im beiderseitigen Verhältnis den Blick in die Zukunft zu richten. Kerrys Besuch in Berlin war mit Spannung erwartet worden, nachdem die Bundesregierung nach den Enthüllungen über das massenhafte Ausspähen der Telefon- und Internet-Kommunikation auch deutscher Bürger durch die NSA vor einem Vertrauensverlust gewarnt hatte. Kerry räumte nach seinem Treffen mit Steinmeier ein, "dass wir in den vergangenen Monaten eine harte Zeit durchgemacht haben". Er wolle mit seinem Besuch dazu beitragen, den Fokus wieder "auf die Zukunft zu richten".

Zu den Irritationen angesichts der umfassenden Überwachung durch die NSA sagte Kerry, es gebe nun "ein besseres Verständnis über die Anforderungen und Sorgen beider Seiten". Er kündigte weitere Beratungen auf Geheimdienstebene an, um "diese besondere Herausforderung hinter uns zu lassen". Er betonte, auch die USA seien "der Privatsphäre aller Bürger" verpflichtet. In einer komplizierten "technischen Umgebung" hätten sich die Bedrohungsszenarien aber geändert und seien in vieler Hinsicht "t ödlicher und schwieriger zu entdecken". Deutschland und die USA würden auch künftig in Sicherheitsfragen eng zusammenarbeiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hielten sich bei den öffentlichen Begegnungen mit Kerry mit expliziter Kritik zurück. Was die Kooperation der NSA mit den deutschen Geheimdiensten betreffe, so würden Fragen offen angesprochen, "auch wenn es Differenzen gibt", sagte Merkel nach ihrem Treffen mit Kerry im Kanzleramt. Die Bundeskanzlerin hatte sich im Oktober empört über Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden gezeigt, nach denen auch ihr Handy zeitweise von US-Diensten abgehört wurde. Zu den Vorwürfen haben sich die USA bislang nicht im Detail geäußert.

"Die deutsch-amerikanische Partnerschaft steht außer Frage", betonte Steinmeier nach seinem Gespräch mit Kerry. Mit Blick auf die NSA-Affäre fügte er hinzu, "unterschiedliche Sichtweisen" dürften "eine gewachsene Freundschaft nicht zerstören". Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich indes skeptisch zu den Chancen eines Anti-Spionageabkommens mit den USA: "Es wird Gespräche weiter geben, ich bin aber nur begrenzt optimistisch, ob es dazu kommt."

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HintergrundDie US-Amerikaner sind von Deutschland so begeistert wie lange nicht. Nach einer Umfrage geben 59 Prozent der Menschen in den USA an, einen ausgezeichneten oder guten Eindruck von "Germany" zu haben. Bei einer Mehrheit der Amerikaner gilt Deutschland einer Befragung zufolge als moderne, fortschrittliche Führungsmacht und wichtigster Partner der USA nach Großbritannien und Kanada. Von den Deutschen sind aber nur noch 57 Prozent (2012: 92 Prozent) von den guten Beziehungen beider Länder überzeugt, wie das ZDF-"Politbarometer" ergab. dpa

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