Keine Entmachtung der Länder

Berlin. Was immer Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) derzeit politisch anpackt, ob Vorratsdatenspeicherung oder Kooperation mit Weißrussland, scheint ihm zu misslingen. So jetzt wohl auch die Reform des Verfassungsschutzes, die als großer Wurf gedacht gewesen ist. Für seine Ideen erntete Friedrich gestern jede Menge Kritik

Berlin. Was immer Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) derzeit politisch anpackt, ob Vorratsdatenspeicherung oder Kooperation mit Weißrussland, scheint ihm zu misslingen. So jetzt wohl auch die Reform des Verfassungsschutzes, die als großer Wurf gedacht gewesen ist. Für seine Ideen erntete Friedrich gestern jede Menge Kritik.Einig sind sich alle, dass nach den Ermittlungspannen rund um die Neonazi-Mordserie Veränderungen beim Verfassungsschutz dringend erforderlich sind. Nur welche Umwälzungen sollen es sein? Friedrichs Reformpapier ist sechs Seiten lang. Der Minister will eine zentrale Datei beim Bundesverfassungsschutz einrichten, in der alle in Deutschland eingesetzten V-Leute verzeichnet sind. Zudem soll es künftig eine Pflicht für Bund und Länder geben, alle Informationen gegenseitig weiterzugeben. Bisher entscheiden die einzelnen Behörden eigenständig darüber.

Nach Friedrichs Plänen soll sich das Bundesamt künftig auf die Beobachtung "gewaltgeneigter Bestrebungen und Personen" konzentrieren, die Beobachtung nicht gewaltbereiter Gruppen sollen die 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz übernehmen. Gleichzeitig will der CSU-Mann den Personalaustausch mit anderen Sicherheitsbehörden forcieren. Und um das Vertrauen in die Geheimdienstler wieder herzustellen, soll der Verfassungsschutzpräsident zukünftig die Fraktionschefs des Bundestages halbjährlich über die Arbeit seiner Behörde unterrichten.

Diese Vorschläge haben nun jedoch fast alle anderen Ebenen vergrätzt. Vor allem die Länder, die sich von Friedrich nicht degradieren lassen wollen. Friedrichs Pläne seien verfassungswidrig, so Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Und aus SPD-Kreisen hieß es am Rande der gestern in Berlin tagenden Sonderkonferenz der Innenminister, der CSU-Mann habe mit seinen Plänen lediglich "schlechten Stil" bewiesen. Friedrich knickte daraufhin hin bei den Beratungen mit seinen Kollegen ein - die "originären Kompetenzen der Länder" würden nicht eingeschränkt, lautete die erzwungene Einigung. Die Länder blieben nach wie vor für alles zuständig, erklärte er kleinlaut.

Die Innenminister betonten gestern noch ihren guten Willen. Sie einigten sich auf Eckpunkte einer Neuausrichtung des Verfassungsschutzes, die vor allem bessere Zusammenarbeit und die Pflicht zur gegenseitigen Information vorsieht. Ob es angesichts des Gerangels aber überhaupt zu einer umfassenden Reform kommen wird, ist fraglich. Zumal auch die Fraktionen des Bundestages kein gutes Haar an den Plänen aus dem Innenministerium lassen. FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger forderte unter anderem erneut die Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern der Länder, an die sich Friedrich wegen der lokalen Widerstände nicht herantraut.

Auch die Opposition verlangt Nachbesserungen. Die SPD hatte bereits in der vergangenen Woche ihre Reformpläne vorgestellt - sie will den Einsatz von V-Leuten konkret regeln und die für den Rechtsextremismus zuständigen Abteilungen beim Verfassungsschutz in Berlin bündeln. Die Grünen plädieren unter anderem für die Ausdünnung des Verfassungsschutzes und die komplette Abschaffung des V-Leute-Systems. Die Linke hingegen will noch viel mehr: Der Verfassungsschutz gehöre "endgültig" aufgelöst, so Innenexperte Jan Korte.

Hintergrund

Der saarländische Staatssekretär im Innenministerium, Georg Jungmann (CDU), äußerte sich gestern zuversichtlich über die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Deutschland. Wichtig sei, dass die Innenministerkonferenz einen einstimmigen Beschluss gefasst habe. "Der Verfassungsschutzverbund wird ausgebaut und seine Effizienz gesteigert. Der Informationsfluss soll verbessert werden nach dem Motto: 'Alle sollen alles wissen'", sagte Jungmann der SZ. Dass Dienste nebeneinander herarbeiten, ohne voneinander zu wissen, dürfe es nicht mehr geben. "Zudem werden wir mehr Transparenz und Öffentlichkeit bei den Diensten schaffen." jöw

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