Katholikentag mit Stargast MerkelLaien halten Missbrauchsskandal noch lange nicht für ausgestanden

Mannheim. Gesellschaftliche Fragen haben am dritten Tag die Diskussionen beim Katholikentag in Mannheim bestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte am Freitag die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach zum Schuldenstaat. Kirchenintern stand vor allem das Thema Ökumene auf der Tagesordnung

 Erzbischof Robert Zollitsch (links) und ZDK-Präsident Alois Glück haben Kanzlerin Angela Merkel einen roten Katholikenschal überreicht. Foto: Lohnes/dpa

Erzbischof Robert Zollitsch (links) und ZDK-Präsident Alois Glück haben Kanzlerin Angela Merkel einen roten Katholikenschal überreicht. Foto: Lohnes/dpa

Mannheim. Gesellschaftliche Fragen haben am dritten Tag die Diskussionen beim Katholikentag in Mannheim bestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte am Freitag die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach zum Schuldenstaat. Kirchenintern stand vor allem das Thema Ökumene auf der Tagesordnung. Am Abend stand ein ökumenischer Gottesdienst auf dem Programm.Merkel hatte kurz vor ihrem Abflug zum G-8-Treffen in den USA noch an einer Podiumsdiskussion zum demografischen Wandel bei dem Laientreffen teilgenommen. Die gestiegene Lebenserwartung müsse sich auch in der Arbeitswelt widerspiegeln, sagte sie. Das Rentenalter soll bis 2029 schrittweise angehoben werden. Entscheidend sei dabei, die Kultur der Arbeitswelt zu ändern. "Bislang werden die Fähigkeiten der älteren Mitarbeiter wie Erfahrung und Routine oft verkannt", sagte die Kanzlerin. Dies müsse sich ändern.

Vor dem Katholikentagsgelände hatten der gastgebende Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, Merkel begrüßt. Die Besucher des Katholikentages empfingen die Kanzlerin mit Angie-Rufen. Bei ihrem Einzug sang eine Musikgruppe den Refrain: "Was du dir vornimmst, alles gelingt." Zu den Querelen rund um Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) äußerte sich Merkel nicht. Sie wandte sich aber gegen die Nörgelei in Deutschland: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einer Nation werden mit Leuten, die alle vor dem Fernseher sitzen und genau wissen, wer wie Fußball spielen muss, aber selber nicht mehr in der Lage sind, einen Ball vor sich herzuschieben."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, wertete den Katholikentag als Chance: "Hoffentlich hat die Katholische Kirche die Kraft, sich den Reformbewegungen offen zuzuwenden und sich anregen zu lassen." Die unter anderem durch den Missbrauchsskandal verursachte Krise der katholischen Kirche schlage sich auch auf die Partner nieder: "Wir befinden uns in einer Haftungsgemeinschaft im Glauben", sagte er.

Einen Beitrag zum Dialog der Religionen leisteten Mannheimer Muslime. Sie luden Besucher des Katholikentages in eine Moschee ein, um dem Freitagsgebet beizuwohnen. "Das Interesse ist riesig", freute sich Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt der Religionen (Ditib). Solche Veranstaltungen seien eine gute Möglichkeit, Vorurteile über den Islam abzubauen und ins Gespräch zu kommen.

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sind sich Christen und Muslime in Deutschland deutlich näher gekommen. Auf lokaler Ebene gebe es etliche Initiativen, sagte er. Allerdings habe sich das Verhältnis auf Spitzenebene abgekühlt, "um es mal vorsichtig auszudrücken". Missverständliche Aussagen des Papstes hätten die Erwartungen der Muslime sehr gedämpft. Bei der Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften wünschten sich die Muslime mehr Unterstützung von den christlichen Kirchen.

Der 98. Katholikentag dauert bis Sonntag und steht vor dem Hintergrund der Kirchenkrise unter dem Motto "Einen neuen Aufbruch wagen". Der Veranstalter, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), geht von 33 000 Dauerteilnehmern und etwa ebenso vielen Tagesgästen aus. dpa/kna

Mannheim. Die Wogen haben sich zwar ein bisschen geglättet - aber abgeschlossen haben viele Katholiken mit dem Missbrauchsskandal um Geistliche in ihrer Kirche noch lange nicht. Beim Katholikentag in Mannheim haben die Laien das Thema mit Nachdruck auf die Tagesordnung gebracht und die Bischöfe zum Handeln gedrängt. Offene Fragen gibt es aus Sicht der Basis genug: Wie will die Kirche mit pädophilen Tätern in den eigenen Reihen umgehen? Und wie mit ihrer rigiden Sexualmoral? Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, war vom anhaltenden Unmut an der Basis sichtlich verblüfft - zeigte sich dann aber offen für die Anregungen.

Selbst mehr als zwei Jahre nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle füllen Podien zum sexuellen Kindesmissbrauch durch Geistliche beim Katholikentag noch die größten Säle. Die meisten an der Basis schienen aber nicht sehr zufrieden damit zu sein, wie die Bischöfe mit dem Thema umgehen. Dass die Kirche die Täter jahrzehntelang gedeckt und die Taten vertuscht habe, sei schlimm genug, findet Matthias Katsch, der am Berliner Canisius-Kolleg selbst Opfer von Übergriffen durch Jesuiten-Pater wurde. Noch mehr erzürne ihn aber die halbherzige Aufarbeitung des Skandals.

Und noch einen Kritikpunkt haben die Laien ihren Bischöfen in Mannheim mit auf den Weg gegeben: Die Kirche habe sich bislang ganz auf die Opfer fokussiert - und dabei zu wenig über den Umgang mit den Tätern in den eigenen Reihen nachgedacht. Im Moment kann ein Bischof einen Priester, der sich an Kindern oder Jugendlichen sexuell vergangen hat, zum Beispiel als Seelsorger in der Altenpflege einsetzen. So ist es in den Leitlinien der Bischofskonferenz verfügt. "Aber kann es die Kirche wirklich wollen, dass Senioren von einem Kinderschänder betreut werden?", fragt eine Frau. dpa

"Wir befinden uns in einer Haftungs-

gemeinschaft im Glauben."

 Erzbischof Robert Zollitsch (links) und ZDK-Präsident Alois Glück haben Kanzlerin Angela Merkel einen roten Katholikenschal überreicht. Foto: Lohnes/dpa

Erzbischof Robert Zollitsch (links) und ZDK-Präsident Alois Glück haben Kanzlerin Angela Merkel einen roten Katholikenschal überreicht. Foto: Lohnes/dpa

Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche (EKD)

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