Kassen rutschen ins Minus

Berlin · Monate bevor der Gesundheitsminister den künftigen Zusatzbeitrag festlegen wird, zeichnet sich ab, dass die Krankenkassenbeiträge wieder steigen werden. Die Arbeitgeber werden daran nicht beteiligt – es zahlen allein die Versicherten.

Die Zeiten, in denen die gesetzlichen Krankenkassen ein stattliches Finanzpolster anhäufen konnten, sind offenbar endgültig vorbei. Ihre Versicherten werden sich deshalb im kommenden Jahr auf eine "Steigerung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages" einstellen müssen, wie es in einem gestern bekannt gewordenen Papier der Bundesregierung heißt. Der Spitzenverband der Krankenkassen schätzt die Mehrbelastung im Schnitt auf bis zu 0,3 Beitragssatzpunkte.

Anzeichen für die Trendumkehr gibt es schon länger. So verzeichneten allein die Ortskrankenkassen Ende Juni ein Minus von 110 Millionen Euro , nachdem sie noch zu Jahresanfang deutliche Überschüsse verbuchen konnten. Bezogen auf alle Kassenarten lag das Defizit Ende Juni schätzungsweise bei etwa einer halben Milliarde Euro .

Zu den größten Kostentreibern zählen die Ausgaben für Arzneimittel. Nicht nur, weil hier gesetzliche Ausgabenbremsen weggefallen sind. Der wesentliche Punkt sei, dass "neue, relativ teure Arzneimittel auf den Markt kommen", so der renommierte Gesundheitsökonom Jürgen Wasem zu unserer Zeitung. Paradebeispiel dafür seien Präparate gegen Hepatitis C (virusbedingte Leberentzündung), die Therapiekosten von bis zu 80 000 Euro verursachen könnten.

Auch bei der Bekämpfung von Krebs kommen nach Angaben Wasems immer mehr hochpreisige Medikamente zur Anwendung. "Wenn die Jahrestherapiekosten für ein solches Medikament bei 70 000 Euro liegen und ein neues hinzukommt, das bei 60 000 Euro liegt, dann ist man, weil sie kombiniert besonders wirksam sind, schon bei 130 000 Euro pro Fall", rechnete Wasem vor. Obendrein wirft die geplante Krankenhausreform ihre Schatten voraus. Sie soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten und die Kliniken auch finanziell besser stellen. Nach den Schätzungen der Kassen wird das Gesetz allein in den kommenden zwei Jahren Mehrkosten von rund 2,3 Milliarden Euro verursachen.

Den Prognosen zufolge werden die Kassenausgaben 2016 insgesamt um etwa vier Prozent steigen, während die Einkommen der Versicherten, aus denen die Beiträge bezahlt werden, nur um etwa 2,8 Prozent zulegen. Wahr ist allerdings auch, dass die Krankenkassen immer noch über hohe Reserven von etwa 15,5 Milliarden Euro verfügen. Allerdings schmilzt das Polster spürbar. Schon in diesem Jahr könnten die Rücklagen um 3,5 Milliarden Euro sinken und im nächsten Jahr um bis vier Milliarden Euro .

Und was heißt das nun konkret für die Versicherten? Schon jetzt kommt praktisch keine Kasse ohne Zusatzbeitrag aus. Die übergroße Mehrheit der 123 gesetzlichen Kassen verlangt derzeit 0,9 Prozent vom Einkommen. Zusammen mit dem gesetzlich eingefrorenen Grundbeitrag (14,6 Prozent) sind es 15,5 Prozent. Dieser Satz könnte schon 2016 auf bis zu 15,8 Prozent steigen. Ein Beschäftigter mit einem Bruttogehalt von 3000 Euro müsste dann neun Euro mehr im Monat zahlen. Das Problem ist freilich, dass der Arbeitgeber nichts dazu beisteuert. Er trägt nur die Hälfte des Grundbeitrags mit.

Meinung:

Arbeitgeber müssen ins Boot

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Bis zum Ende des vergangenen Jahres hatten alle gesetzlich Versicherten einen einheitlichen Krankenkassenbeitrag von 15,5 Prozent zu entrichten. Seit Januar wurde ein kleiner Teil davon zum Zusatzbeitrag. Weil die Kassen über die Höhe des zusätzlichen Beitrages allein bestimmen können, kommen manche Versicherte unter dem Strich derzeit sogar günstiger weg als vor der Gesetzesänderung. Bei den allermeisten Kassenmitgliedern hat sich wenig bis gar nichts verändert. Schon deshalb ist Panik unangebracht, wenn die Zusatzbeiträge nun demnächst etwas steigen. Eine gute Gesundheitsversorgung, zumal in einer alternden Gesellschaft, hat ihren Preis.

Auf Dauer werden die Versicherten die Kostenzuwächse aber nicht allein tragen können. Das wäre auch wenig sozial. Hier müssen die Arbeitgeber wieder mit ins Boot.

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