Karlsruhe stärkt das Hinterzimmer

Karlsruhe · Politische Kompromisse werden im Vermittlungsausschuss oft in kleinen, vertraulichen Gruppen erzielt. Dort wollte die Linke-Bundestagsfraktion einen festen Platz einklagen – und scheiterte vor dem Verfassungsgericht.

Petra Sitte ist nicht anzumerken, dass die Linke-Bundestagsfraktion gerade eine fulminante Niederlage beim Bundesverfassungsgericht einstecken musste. "Wir wollten die Minderheitenrechte oppositioneller Fraktionen auch im Vermittlungsausschuss absichern", erklärt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion nüchtern. Doch das sei nur "teilweise" gelungen, muss sie einräumen.

"Teilweise" bedeutet, dass die Richter eine rechtzeitige Information der Abgeordneten im Ausschuss über ausgearbeitete Kompromissvorschläge zwar anmahnten. Der eigentliche Knackpunkt des gestrigen Urteils ist aber ein anderer: Kleine Oppositionsparteien wie die Linke dürfen nämlich bei der eigentlichen Suche nach einem politischen Kompromiss im Vermittlungsausschuss ausgeschlossen werden. Dabei geht es um Arbeitsgruppen und informelle Gesprächsrunden. Sie sind vor allem bei komplexen und hoch umstrittenen Vorhaben wichtig, da sie Möglichkeiten für politische Einigungen sondieren und diese ausarbeiten. Über die Vorschläge entscheidet dann das Plenum des Vermittlungsausschusses. Er kommt immer dann zum Zuge, wenn ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz im Bundesrat keine Mehrheit findet.

So war es auch bei der schwierigen Suche nach dem Hartz-IV-Kompromiss, nachdem die Reform Ende 2010 im Bundesrat gescheitert war. Danach sollte es der Vermittlungsausschuss richten. Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, doch dort bekam die Linke nur nach einem juristischen Scharmützel Platz. Als die Arbeitsgruppe sich nicht einigte, kam es zu informellen Gesprächen im Hinterzimmer. Hier wurde der Kompromiss ausgearbeitet - ohne die Linken. Sie erfuhren von dem Vorschlag erst kurz vor der entscheidenden Plenumssitzung.

Die Linke zog nach Karlsruhe und wollte erreichen, dass ihr in besagten Untergremien generell Plätze zustehen. Wie Parlamentsausschüsse oder die Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses sollten auch diese Untergremien ein Abbild des Bundestages darstellen.

Der Vermittlungsausschuss habe jedoch eine ganz andere Zielrichtung, urteilte Karlsruhe : Ein verkleinertes Spiegelbild des Bundestages müssten seine Untergruppen nicht darstellen. Denn "Zweck und Ziel des Vermittlungsverfahrens ist das Erzielen eines politischen Kompromisses", hieß es im 40 Seiten umfassenden Urteil. Auf eine "möglichst breite Beteiligung aller parlamentarischen Kräfte" sei das Verfahren nicht angelegt. Oder wie die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Ausschusses für Justiz, Renate Künast , es in der Anhörung des Gerichts im Mai ausdrückte: "Irgendwann müssen die Dinge auch entschieden werden."

Die Reaktionen auf das Urteil fallen naturgemäß unterschiedlich aus: "Im Kern sehe ich das Problem darin, dass die Vertreter der kleinen Parteien im Vermittlungsausschuss keine wirksame Möglichkeit der Mitarbeit haben", sagte Linken-Anwalt Wolfgang Ewer, der im Gegensatz zu Petra Sitte betroffen wirkte. "Und ich glaube, damit nimmt man sich zugleich die Möglichkeit, Impulse aufzunehmen von den Vertretern kleiner Parteien." Der baden-württembergische Europaminister Peter Friedrich (SPD ) hielt dagegen, mit dem Richterspruch sei deutlich geworden, "dass der Vermittlungsausschuss nicht als Bühne der Auseinandersetzung politischer Parteien dienen soll". Friedrich war für den Bundesrat nach Karlsruhe gereist. Er wirkte zufrieden.

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