Kardinal Meisner sieht "Katholikenphobie"

Köln. Nach den jüngsten innerkirchlichen Skandalen sieht der Kölner Kardinal Joachim Meisner eine "Katholikenphobie" in der deutschen Gesellschaft. Meisner (79) forderte seine Seelsorger in einem Brief zu Tapferkeit im Umgang mit öffentlicher Häme und ungerechtfertigten Vorwürfen auf, bestätigte das Erzbistum am Freitag

 Aussagen des Kölner Kardinals Meisner stoßen auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Foto: dpa

Aussagen des Kölner Kardinals Meisner stoßen auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Foto: dpa

Köln. Nach den jüngsten innerkirchlichen Skandalen sieht der Kölner Kardinal Joachim Meisner eine "Katholikenphobie" in der deutschen Gesellschaft. Meisner (79) forderte seine Seelsorger in einem Brief zu Tapferkeit im Umgang mit öffentlicher Häme und ungerechtfertigten Vorwürfen auf, bestätigte das Erzbistum am Freitag. Die katholische Kirche in Köln war massiv in die Kritik geraten, weil sich dort zwei katholische Kliniken geweigert hatten, eine vergewaltigte Frau zu behandeln.

Erst am vergangenen Wochenende hatte der Chef der römischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, Aufsehen erregt, als er eine aufkommende "Pogromstimmung" gegen die katholische Kirche angeprangert hatte. Die Formulierungen Meisners und Müllers wurden am Freitag auch aus dem eigenen Lager kritisiert. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagte den Zeitungen der WAZ-Gruppe: "Solche Begriffe sind in der Debatte nicht hilfreich, zumal wenn sie historisch besetzt sind." In der Sache stimme er allerdings zu: "Tatsächlich spüre ich in letzter Zeit eine aggressive Stimmung gegen die katholische Kirche", sagte Overbeck. Er sehe aber auch, dass sich die katholische Kirche diese aggressive Einstellung zum Teil selbst zuzuschreiben habe.

Einige sind überfordert

Professor Michael Ebertz von der Katholischen Hochschule Freiburg sagte, die Äußerungen der beiden Kirchenmänner seien ein "Ausdruck von Hilflosigkeit". Seit der Aufdeckung des Missbrauchskandals müssten die Verantwortlichen in der Kirche immer wieder erleben, dass sie vor ein gesellschaftliches Tribunal gestellt würden, sagte Ebertz. Mit dieser veränderten und komplexen Situation angemessen und professionell umzugehen, stelle für bestimmte Verantwortliche eine Überforderung dar.

"Man fragt sich als Katholik: Warum greifen Verantwortliche in der Kirche immer wieder daneben?", sagte Ebertz. "Den Ausdruck Phobie muss man deshalb eigentlich anders sehen. Es ist eine Phobie der Katholiken vor ihrer Kirchenleitung. Viele Katholiken wachen morgens auf und fragen sich: In welches Fettnäpfchen wird heute wieder getreten?"

 Aussagen des Kölner Kardinals Meisner stoßen auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Foto: dpa

Aussagen des Kölner Kardinals Meisner stoßen auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Foto: dpa

Kardinal Meisner schreibt in seinem Brief, die Kirche in Köln habe "in der öffentlichen Wahrnehmung einen Sturm erlebt, wie ich ihn in meinen Jahren als Bischof selten erlebt habe". Den tieferen Grund dafür sieht er darin, dass "die Entschiedenheit der katholischen Positionen zum Lebensschutz, zu Ehe und Familie" sowie die "deutliche Repräsentanz" durch Papst und Bischöfe "immer stärker polarisieren". Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, äußerte im "Kölner Stadt-Anzeiger" Verständnis für Meisners Position. dpa

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