Kafkas "Process" in Licht und Töne verwandelt

Saarbrücken. Was hat die Saarbrücker Sommermusik mit der Musik Biennale Zagreb gemeinsam? Beide widmen sich zeitgenössischer Musik, beide befassen sich jetzt auch mit Franz Kafka. In Zagreb etwa hat Orson Welles 1962 ein Teil seines Films nach Kafkas Roman "Der Process" gedreht

Saarbrücken. Was hat die Saarbrücker Sommermusik mit der Musik Biennale Zagreb gemeinsam? Beide widmen sich zeitgenössischer Musik, beide befassen sich jetzt auch mit Franz Kafka. In Zagreb etwa hat Orson Welles 1962 ein Teil seines Films nach Kafkas Roman "Der Process" gedreht. Und so kommt es, dass der Saarbrücker Musiker Stefan Mathieu, als "digital sound artist" auf Festivals in Osteuropa sehr gefragt, für sein neuestes audiovisuelles Stück "process" gleich vier Koproduzenten gefunden hat. Neben den beiden Genannten sind noch die Sparte4 mit im Boot und das Kulturzentrum KuBa, in dem Mathieu sein Atelier hat und gerade die letzen Proben für die Premiere vornimmt. Die findet am Freitag in der Sparte4 statt. Ganz schön verwickelt? So wirkt es auch, wenn Mathieu erklärt, was er mit Kafkas "Process" angestellt hat, um ihn in Licht und Töne zu verwandeln. Mathieu hat sich aus Kafkas Roman die Türhüterparabel vorgeknöpft. Sie handelt von einem Mann, der vom Land kommt und zum "Gesetz" vordringen will. Doch vor diesem steht ein Türhüter, der ihn stets vertröstet. Der Mann wartet vor der Tür, bis er stirbt. "Etwas in Reichweite zu haben und doch nicht hinzukommen", sagt Mathieu, dieses Empfinden wolle er in seiner Arbeit vermitteln, räumlich-akustisch und visuell. Dafür hat der 41-Jährige 23 000 (Text-)Zeichen der Parabel mit einem Converter-Programm in Binärcode, eine Abfolge von Nullen und Einsen, verwandelt. Dieser Binärcode ist zum einen Grundlage für die visuelle Komponente seiner Installation. Dafür hat Mathieu die Zeichenfolge auf 16mm-Film übertragen, in Form transparenter und schwarzer Felder. Der Film wird als Endlosschleife an die Wand projiziert. "Inspiriert dazu hat mich eine Szene aus Orson Welles Film, in der jemand durch den Flur läuft, beobachtet von Kinderaugen", erzählt Mathieu. Licht, das durch Bretterritzen dringt, erzeuge dabei ein geheimnisvoll-unheimliches Flackern.

Zum anderen hat Mathieu den Binärcode als Partitur für Streichquartett benutzt und auf Schallplatten eingespielt. Die wird er bei der Aufführung parallel auf vier Grammophonen live abspielen und nach DJ-Art mit der Hand manipulieren. Hinzu kommt ein Spinett, dessen Saiten durch Elektromagnete in Schwingungen versetzt werden. Zusammen ergebe das "spektrale, lange Klangflächen" wie sie typisch für ihn seien, sagt Mathieu. "Soundästhetisch unterscheiden sie sich von früheren Arbeiten aber darin, dass sie rein akustisch produziert sind." sbu

Karten: Tel. (0681) 30 92-486.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort