Kabinett will Neonazi-Datei beschließen

Berlin. Dass mit einer Neonazidatei die Mordserie der Zwickauer Zelle gänzlich hätte verhindert werden können, so vermessen ist man innerhalb der Bundesregierung nicht

Berlin. Dass mit einer Neonazidatei die Mordserie der Zwickauer Zelle gänzlich hätte verhindert werden können, so vermessen ist man innerhalb der Bundesregierung nicht. Gleichwohl gilt die neue Datei, deren gesetzliche Regelung morgen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll, als wichtiges Hilfsmittel, als "Baustein für einen verbesserten Informationsfluss" zwischen den Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Rechtsextremismus, wie es in einem Positionspapier des Bundesjustizministeriums heißt.Wer wird von der Datei erfasst werden?

Eine reine Gewalttäterdatei ist sie nicht. Gespeichert werden sollen vor allem die Daten von Personen, die nach Erkenntnissen der Behörden ganz konkret "rechtsextreme Bestrebungen verfolgen und in Verbindung damit zur Gewalt aufrufen". Erfasst werden aber auch jene, die bereit sind, finanziell oder logistisch zu helfen. "Damit sind alle Hintermänner und Drahtzieher vollumfänglich einbezogen", so das Justizministerium. Wie viele Personen das insgesamt sind, ist offen.

Wen klammern die Pläne aus?

Menschen, die zum Beispiel am Stammtisch rechte Gewalt gutheißen oder befürworten, ohne selbst aktiv zu werden. Das soll verhindern, dass das Register auch zu einer "Gesinnungsdatei" wird.

Wer speist die Datei?

34 Behörden in Bund und Ländern. Das sind die Verfassungsschutzämter, das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter und der Militärische Abschirmdienst. Zugriff haben Strafverfolger und Sicherheitsdienste.

Welche Informationen können die Sicherheitsbehörden abfragen?

Lediglich Grunddaten von Rechtsextremen: Name, Geschlecht, Geburtsdatum und -ort, Anschriften, Lichtbilder und den Grund, warum jemand gespeichert wird. Um rechte Strukturen oder Netzwerke aufzudecken, kann außerdem auf das Instrument der "erweiterten Datennutzung" zurückgegriffen werden, allerdings nur bei konkretem Anlass und zeitlich befristet. Dafür bedarf es auch einer ministeriellen Genehmigung. Eine Analyse "ins Blaue hinein" ist ausgeschlossen.

Werden Namen auch wieder gelöscht?

Ja. Es wird Speicherfristen geben. Auch die Nutzung der erfassten Daten zu Analysezwecken soll nach vier Jahren auf den Prüfstand kommen.

Wie hilfreich wird die Datei tatsächlich sein?

Genau weiß das keiner, denn in der Praxis muss sich die Verbunddatei noch bewähren. Außerdem ist sie ein klassischer Kompromiss zwischen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Die Verhandlungen beider waren wie so oft zäh und schwierig. Aus den Ländern wird jedenfalls schon kritisiert, die Regelungen seien zu lasch, da die Daten nicht generell zur Recherche und Analyse von rechtsterroristischen Netzwerken genutzt werden dürften.Foto: Emek/dapd

Hintergrund

Im Umfeld des Neonazi-Trios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hat es nach Informationen der "Berliner Zeitung" mehr staatliche Spitzel gegeben als bislang bekannt. Demnach führten Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern mindestens fünf V-Leute und Informanten in der Neonazi-Vereinigung "Thüringer Heimatschutz" (THS), der auch die späteren mutmaßlichen Rechtsterroristen angehörten. Bislang war dem Bericht zufolge lediglich bekannt, dass mit Tino Brandt der Anführer des THS zwischen 1994 und 2001 mit dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) zusammengearbeitet hatte. afp

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