Jauch beendet seine Karriere fürs Erste

Das war’s dann wohl bei der ARD: Am Sonntag wird Günther Jauch zum letzten Mal seine Gesprächspartner ins Gasometer nach Berlin bitten. Vier Jahre lang hat er den Polittalk moderiert. Die Quoten stimmten stets. Die Bilanz der Kritiker fällt dennoch sehr durchwachsen aus.

Günther Jauch hat einfach etwas, was ihn von allen anderen Show-Größen im deutschen Fernsehen unterscheidet. "Er kann alles." Er hat aber auch einen großen Nachteil. "Er macht auch alles." So umschrieb die Programmzeitschrift "TV Spielfilm" die Karriere des Charismatikers vor vielen Jahren knapp - aber treffend, finden Kritiker. Nun macht er eine Sache aber nicht mehr. Am Sonntag flimmert seine letzte ARD-Talkshow über die Bildschirme. Dann bleibt Jauch weiter der "Unvollendete", als den ihn die "Zeit" einst porträtierte.

Dabei waren die Quoten seiner Politik-Show, von der er lange geträumt hatte, seit der Erstausstrahlung 2011 gut. Aus dem Berliner Gasometer erreichte Jauch oft fünf Millionen Zuschauer. Zudem lag der Marktanteil mit 16 Prozent deutlich über dem Senderschnitt. Schon deshalb überraschte es, als Jauch im Juni mitteilte, seinen Vertrag mit dem Ersten nicht zu verlängern. Er habe das Angebot der ARD "sowohl aus beruflichen als auch aus privaten Gründen nicht angenommen", erklärte er. Ansonsten hatte er sich eine Gesprächssperre auferlegt. Im Oktober ergänzte er dann: "Die Sendungen werden ordentlich zu Ende geführt und dann ist eben Schluss."

Seitdem rätseln viele über das Warum. Ein Grund dürfte sein, dass sich der 59-Jährige zunehmend öffentlicher Kritik und Häme ausgesetzt sah. Das nagte am Ehrgefühl eines Mannes, der es gewohnt war, geliebt zu werden. Ein Vorfall im Frühjahr dürfte auch zur Entscheidung beigetragen haben. Ein Einspieler in seiner Sendung zeigte den damaligen Finanzminister Griechenlands, Gianis Varoufakis, mit ausgestrecktem Mittelfinger - gegen die wirtschaftlich dominanten Deutschen? Der Film war alt, aus dem Zusammenhang gerissen und Stoff für einen Coup des ZDFneo-Satirikers Jan Böhmermann, der den Stinkefinger als Fälschung seiner Redaktion ausgab und damit hitzige Diskussionen entfachte. Allerdings nicht um Griechenlands wirtschaftliche Lage, sondern mehr um Jauchs Sendung.

Was bleibt von der Ära Jauch? Manche Experten sagen: Das Kapitel bleibt ohne Nachhall. "So gut wie nie hat Jauch die politische Agenda geprägt oder von sich aus Themen auf die Tagesordnung gebracht, stattdessen wurde das, was ohnehin im Schwange war, noch einmal mit bekannten Gästen aus der ersten oder zweiten Reihe von Politik und Journalismus verhandelt", sagt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, früher Chef des Grimme-Instituts. Zu selten sei es Jauch gelungen, aus der Gästekonstellation eine neue Dynamik der Debatte zu kreieren. Bei "heiklen" Gästen aus der Pegida-Szene oder von der AfD seien die Gespräche meist schief gelaufen.

Auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Uni Tübingen bilanziert die Ära mit wenig Begeisterung. "Am Ende dürfen sich alle bestätigt sehen. Diejenigen, die schon immer vor Günther Jauch als einer Ikone des Privatfernsehens gewarnt haben", sagt Pörksen. "Und diejenigen, die das Ende dieser Beziehung vor allem durch manche Gehässigkeit der ARD-Oberen verursacht sehen und darauf verweisen, dass man den Quotenbringer Jauch erst engagierte, um dann seine Sendung umso leidenschaftlicher als seichte Unterhaltung zu kritisieren." Es bleibe der Eindruck einer Vernunftehe.

Einer teuren zugleich. Rund 10,5 Millionen Euro pro Jahr bescherte der ARD-Vertrag Jauchs Produktionsfirma I + U. Aber so mancher bei der ARD wollte unbedingt, dass der Talkmaster "dem Ersten neue Impulse" gibt. Beispielsweise NDR-Intendant Lutz Marmor. Nun sollen die Impulse wieder von Jauchs Vorgängerin Anne Will kommen - gebührenschonender. Sie kehrt ab Januar vom Mittwoch zurück auf den Sonntag und reduziert so die Zahl der Abend-Talkshows auf drei.

Auch Jauch bleibt den Zuschauern selbstredend erhalten. Bei seinem Stammsender RTL. Da seien derzeit "keine Besonderheiten" zu erwarten, so Jauch. Sein Quiz "Wer wird Millionär?" laufe weiter, auch über die Formate "5 gegen Jauch" und "Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen alle" werde man weiterreden. Aber etwas weniger TV-Stress kommt Jauch sicherlich entgegen. Und davon profitieren auch die Menschen an der Saar. "Wir wollen deutlich mehr hier sein", sagte Jauch im August und meinte damit sein Weingut in Kanzem. Vor fünf Jahren ist er dort unter die Winzer gegangen. Und belegt damit wieder: Günther Jauch kann alles.

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