Islamisten beschließen Verfassung

Kairo. Das mehrheitlich mit Islamisten besetzte ägyptische Verfassungskomitee hat im Eilverfahren über seinen umstrittenen Entwurf für eine neue Verfassung abgestimmt. Die Mitglieder des Gremiums gaben gestern zu jedem der 234 Artikel einzeln ihre Stimme ab. Um Proteste zu verhindern, hatte die Polizei in der Nacht vor dem Gebäude schnell eine Betonmauer errichtet

Kairo. Das mehrheitlich mit Islamisten besetzte ägyptische Verfassungskomitee hat im Eilverfahren über seinen umstrittenen Entwurf für eine neue Verfassung abgestimmt. Die Mitglieder des Gremiums gaben gestern zu jedem der 234 Artikel einzeln ihre Stimme ab. Um Proteste zu verhindern, hatte die Polizei in der Nacht vor dem Gebäude schnell eine Betonmauer errichtet.Die Islamisten hatten die ursprünglich für Mitte Dezember geplante Abstimmung kurzfristig vorgezogen. So sollte Oppositionellen, die in den vergangenen Tagen heftig gegen die von Präsident Mohammed Mursi verkündete Verfassungserklärung protestiert hatten, die Luft aus den Segeln genommen werden. Mursi, der aus der Muslimbruderschaft stammt, hatte seine Machtbefugnisse auf Kosten der Justiz stark erweitert. Seine Anordnungen sollen bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung gelten.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo harrten einige Hundert Demonstranten aus, die gegen den "Staatsstreich der Islamisten" protestierten. Für heute ist eine große Kundgebung der gegnerischen Kräfte gegen "den neuen Pharao Mursi" geplant. Am Samstag wollen dann die Islamisten ihre Anhänger mobilisieren. Sie sollen auf den Straßen und Plätzen des Landes ihre Unterstützung für Mursi und die "Scharia" bekunden. Viele Ägypter fürchten, dass es dann zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der beiden Lager kommen könnte.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fürchtet bei einem Rückschlag in Ägypten um die Demokratiebewegung in der gesamten arabischen Welt. "Die Umbrüche in dieser Region werden nur erfolgreich gelingen, wenn die Umbrüche in Ägypten erfolgreich sind", sagte er bei einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Kamel Amr in Berlin. Er mahnte Islamisten und Opposition, eine Konsenslösung zu finden. Die Unabhängigkeit der Justiz müsse garantiert werden.

Im Verfassungskomitee geben die Muslimbrüder und die radikal-islamischen Salafisten den Ton an. Die liberalen und linken Mitglieder hatten sich aus Protest gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Kompromissbereitschaft der Islamisten aus dem Gremium zurückgezogen. Auch die Kirche zog ihre Vertreter ab. 26 der ursprünglich 100 Mitglieder der Versammlung erschienen gestern nicht zu der Abstimmung. Da mindestens 75 Mitglieder anwesend sein müssen und jeder Artikel nur dann als angenommen gilt, wenn 67 Mitglieder mit Ja stimmen, wurden 14 "Ersatzmitglieder" aufgerufen. Da drei von ihnen ablehnten, zogen letztlich nur elf von ihnen in das Gremium ein.

Der ausgearbeitete Entwurf schränkt nach Ansicht der Regimekritiker die Rechte der Frauen ein, beschneidet die Kompetenzen der Justiz und gibt den Religionsgelehrten Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess. Außerdem werden alle Mitglieder der einstigen Regierungspartei mit einem politischen Betätigungsverbot für zehn Jahre belegt.

Nach der Abstimmung soll der Verfassungsentwurf Präsident Mursi vorgelegt werden. Binnen einiger Wochen soll dann in einer Volksabstimmung endgültig über die Verfassung entschieden werden. Den Islamisten dürfte es jedoch schwer fallen, dieses Referendum zu organisieren. Denn in Ägypten führen bei Wahlen die Richter die Aufsicht. Die Mehrheit der Richter lehnt aber diesen Entwurf ab. dpa

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