Interview „Die Identitätskrise der CDU ist noch nicht gelöst“

Berlin · Die SPD-Chefin spricht über ihren neuen Verhandlungspartner Armin Laschet, die Erwartungen der Genossen und den künftigen Kurs der Union.

 Saskia Esken, SPD-Chefin neben Norbert Walter-Borjans, ist Laschet erst ein Mal persönlich begegnet.

Saskia Esken, SPD-Chefin neben Norbert Walter-Borjans, ist Laschet erst ein Mal persönlich begegnet.

Foto: dpa/Gregor Fischer

Zu Hause bei sich in Calw verfolgte SPD-Chefin Saskia Esken den Online-Parteitag der CDU. Unsere Redaktion telefonierte mit ihr kurz nach der Entscheidung.

Bedeutet die Wahl von Armin Laschet aus Ihrer Sicht irgendeine Kursveränderung bei der CDU?

ESKEN Zunächst einmal bedeutet sie nur, dass eine Personalfrage bei der CDU entschieden ist. Es stehen dort allerdings noch mehr Personalentscheidungen in diesem Wahljahr an, unter anderem die Kanzlerkandidatur. Wie sich die Identitätskrise auflöst, in der sich die CDU erkennbar befindet, ist auch nach diesem Parteitag noch nicht klar zu erkennen. Wir benötigen in der Koalition aber dringend einen stabilen Partner in den nächsten Monaten und keinen Partner, der mit sich selbst beschäftigt ist. Denn vor uns liegen große Aufgaben, die Bewältigung von Corona und der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie.

Nun gibt es auf der Gegenseite mit Laschet als neuem Parteivorsitzenden neben der Kanzlerin wieder einen zweiten starken Spieler im Koalitionsausschuss. Ändert das etwas an der Zusammenarbeit?

ESKEN Angela Merkel agiert dort in erster Linie als Regierungschefin. Es ist aber auch ein Ort, wo die Koalitionsparteien und die Fraktionen miteinander verhandeln. Ich erwarte, dass Armin Laschet diese Rolle künftig ausfüllt.

Kennen Sie ihn eigentlich persönlich?

ESKEN Wir sind uns einmal bei Anne Will begegnet, aber wir haben noch nicht zusammengearbeitet. Und auch noch kein Bier getrunken.

Es ist eine Entscheidung für einen Mitte-Kurs der CDU. Friedrich Merz wäre konservativer, Norbert Röttgen grüner gewesen. Hat das Auswirkungen auf Ihre strategische Ausrichtung?

ESKEN Nein. Die SPD sollte und wird sich in ihrer Programmatik nicht an anderen orientieren, sondern an den anstehenden Herausforderungen und an der Gestaltung der Zukunft. Im Übrigen waren die Reden der drei Bewerber so unterschiedlich nicht. In welche Richtung die CDU geht, ist noch nicht ausgemacht.

Die in der SPD verbreitete Hoffnung, die CDU werde sich nun heillos über die Nachfolge Merkels zerstreiten und dann in der Wählergunst abstürzen, können Sie nach diesem Parteitag aber vergessen, oder?

ESKEN Die SPD bezieht ihre Stärke auch nicht aus der Uneinigkeit in anderen Parteien. Wir haben gute Konzepte, um die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu lösen. Und wir haben mit Olaf Scholz einen starken Kanzlerkandidaten, der gezeigt hat, dass er Krise kann und von dem wir auch in ruhigeren Zeiten Orientierung erwarten dürfen.

Sie sind Digital-Expertin. Wie fanden Sie den digitalen CDU-Parteitag unter professionellen Gesichtspunkten?

ESKEN Die SPD hat in Baden-Württemberg auch schon so einen digitalen Parteitag gehabt. Solche Formate leiden unter dem Mangel an Nähe, an Wärme und Emotion, daran müssen wir weiter arbeiten. Auch bei der CDU war es so: Es gab keinen Applaus nach den Reden oder nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Es gab kaum Fragen, und alles bleibt doch sehr steril.

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