Interview zu den Plänen der Bundesregierung gegen Extremismus „Den Ankündigungen müssen Taten folgen“

Berlin · Die Grünen-Innenexpertin kritisiert die Pläne der Bundesregierung gegen Extremismus und Hass im Netz als unzureichend.

  Irene Mihalic sieht die Behörden nicht genug gerüstet für die Verfolgung von Hass-Straftaten.

Irene Mihalic sieht die Behörden nicht genug gerüstet für die Verfolgung von Hass-Straftaten.

Foto: STEFAN_KAMINSKI

Mit einem Neun-Punkte-Plan will die Bundesregierung den Kampf gegen Extremismus und Hetze im Netz verstärken. Nach Einschätzung der innenpolitischen Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, reichen die vom Kabinett verabschiedeten Maßnahmen aber nicht aus.

Frau Mihalic, können die Grünen die Regierungspläne mittragen?

MIHALIC Im Grundsatz kann man sagen, endlich legt die Bundesregierung ein solches Paket vor, aber es sind erst einmal neun allgemeine Ankündigungen. Vieles bleibt unklar.

Was vermissen Sie konkret?

MIHALIC Nehmen wir das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz, das die Betreiber von Internetplattformen verpflichtet, Hasskommentare zu löschen. Aber zum Beispiel Spieleplattformen, auf denen gechattet wird, und die bei Anschlägen wie etwa auf die Synagoge in Halle eine erhebliche Rolle gespielt haben, fallen nicht unter dieses Gesetz. Hier besteht dringender Korrekturbedarf. Aber davon liest man in dem Neun-Punkte-Plan nichts.

Die Regierung will Online-Plattformen wie Facebook oder Twitter verpflichten, strafbare Inhalte sowie die zugehörigen IP-Adressen an die Behörden zu melden, um den Tätern besser auf die Spur zu kommen. Wie bewerten Sie das?

MIHALIC Die Meldepflicht wäre ein Fortschritt. Denn jetzt wird zwar gelöscht, aber die Behörden erfahren davon nichts. Allerdings dürfen wir mit so einer Meldepflicht nicht Gefahr laufen, die Strafverfolgungsbehörden zu überfordern. Umso mehr kommt es jetzt auf die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme an.

Sind die Behörden für eine Verschärfung der Strafverfolgung ausreichend  gerüstet?

MIHALIC Nein, nicht wirklich. Dringend notwendig wäre, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte über ausreichend und vor allem qualifiziertes Personal verfügen, um solche Hass-Straftaten auch zur Anklage zu bringen. Die Bundesregierung macht sich in ihrem Maßnahmenpaket für eine neue Zentralstelle beim Bundeskriminalamt stark, wo die Fäden der Strafverfolgung zusammenlaufen. Das ist sehr positiv. Aber auch hier liegen die Details noch im Nebel.

Was erwarten Sie von der Regierung?

MIHALIC Dass sie ihren allgemeinen Absichtsbekundungen schnell konkrete Taten folgen lässt.  Innenminister Seehofer hat bereits im Sommer angekündigt, 440 Stellen beim Bundeskriminalamt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu schaffen. Dann kam ein paar Wochen später der Haushaltsentwurf, aber darin finden sich die Stellen nicht wieder.  Bislang hat es die Regierung versäumt, ein schlüssiges Personalkonzept vorzulegen, denn auch neue Stellen bedeuten ja nicht automatisch neues Personal. Obendrein fehlt mir in dem Regierungsplan ein wichtiger zehnter Punkt, nämlich die Analysefähigkeit im Bereich der Verfassungsschutzbehörden zu stärken.

Das müssen Sie erklären.

MIHALIC Im Bereich Islamismus haben die Sicherheitsbehörden tatsächlich fachkundiges Personal rekrutiert. Da arbeiten Islamwissenschaftler und Leute mit sehr guten Arabisch-Kenntnissen. Aber die Wissenschaftlichkeit in der Analyse des Rechtsextremismus fehlt. Und das muss sich ändern.

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