Interview mit Henning Otte „Wir müssen die europäische Säule der Nato stärken“

Berlin · Völlig überraschend wollen die USA offenbar bis September 9500 ihrer in Deutschland stationierten 35 000 Soldaten abziehen. Das wurde an Wochenende in Washington bekannt. Welche Standorte betroffen sind, ist noch unklar.

 Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der  CDU/CSU-Bundestagsfraktion   Foto: Pedersen/dpa

Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der  CDU/CSU-Bundestagsfraktion Foto: Pedersen/dpa

Foto: dpa/Britta Pedersen

Unsere Zeitung sprach mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Henning Otte (51), über die Bedeutung dieses Schrittes.

Es gab keine offizielle Information der Bundesregierung über den Abzug, geschweige denn vorherige Konsultationen. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen der US-Regierung?

OTTE Die Ankündigungen gehen auf Äußerungen von Präsident Trump zurück und zeigen, dass er offenbar sehr sprunghaft agiert. Es gibt bisher aber noch keine offizielle Bestätigung aus dem Weißen Haus. Jetzt muss das Auswärtige Amt mit den USA über das Ob und das Wie der angeblichen Abzugspläne reden. Sicher wäre es besser gewesen, über so etwas vorher bilateral oder im Rahmen der Nato zu sprechen, mindestens eine Vorwarnung zu geben.

Unter Freunden geht man so nicht miteinander um?

OTTE Eine solche erhebliche Entscheidung sollte man in der Tat miteinander absprechen.

Der gerade ausgeschiedene US-Botschafter Richard Grenell hat immer mit einem Abzug gedroht, weil Deutschland nicht genug für die Verteidigung ausgebe. Ist das Grenells letzte Rache an Berlin?

OTTE Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir das Zwei-Prozent-Ziel anstreben. Wir investieren stetig in die Verbesserung der Fähigkeiten der Bundeswehr. Zudem gibt es eine Richtungsentscheidung der Verteidigungsministerin, den Tornado durch amerikanische F18 abzulösen. Das alles sind deutliche Zeichen, dass wir die transatlantische Achse für sehr wichtig erachten.

Donald Trump ist bekannt dafür, mit außenpolitischen Konflikten von innenpolitischen Problemen abzulenken. Ist der Abzug vielleicht ein Vorbote, dass er sich jetzt Deutschland vorgenommen hat? Kommt da noch mehr?

OTTE Ich will nicht hoffen, dass hier innenpolitische Gründe mit außenpolitischen Forderungen verknüpft werden. Dass Trump immer wieder Deutschland anspricht, liegt auch an unserer starken Position innerhalb Europas. Umso wichtiger ist, dass wir uns innerhalb Europas eng absprechen.

Was bedeutet der Abzug konkret für die militärische und politische Zusammenarbeit mit den USA?

OTTE Klar ist, dass wir im Rahmen des Artikels 5 des Nato-Vertrages füreinander einstehen. Das gilt auch weiterhin. Ich erinnere daran, dass der einzige bisherige Bündnisfall der 11. September 2001 war, die Reaktion auf die Terrorangriffe von Al-Qaida, wo wir alle miteinander auf Antrag der USA deutlich gemacht haben, dass die Bündnissolidarität gilt.

Fühlen sich die USA überhaupt noch so wie früher der Sicherheit Europas verpflichtet?

OTTE Es ist meine feste Überzeugung, dass die USA immer noch zur Nato stehen. Aber der Vorgang macht auch deutlich, dass wir in Europa unsere eigene Rolle besser finden und die europäische Säule in der Nato stärken müssen. Dafür müssen auch wir in Deutschland weiter in die Sicherheit investieren.

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