Debatte um Verbote und Privilegien Eintritt künftig nur noch für Geimpfte?

Berlin/Homburg · In der Debatte um Sonderrechte für Menschen mit Corona-Impfung – etwa bei Reisen – gibt es klare Aussagen. Aber auch viel Unsicherheit.

  In einem Jahr könnte eine Corona-Impfung durchaus Voraussetzung werden, um im Restaurant zu essen oder ein Flugzeug zu besteigen .

In einem Jahr könnte eine Corona-Impfung durchaus Voraussetzung werden, um im Restaurant zu essen oder ein Flugzeug zu besteigen .

Foto: Getty Images/iStockphoto/yongyut Chanthaboot

Man kann sich das leicht ausmalen: Am Eingang zum Club fragt der Türsteher nach dem Impfausweis. Wer den Urlaub bucht, gibt auch eine Impfpass-Nummer an. Kopfschütteln an der Hotelrezeption: In den Wellnessbereich leider nur mit Corona-Impfung. Ist das realistisch? Noch gibt es in Deutschland und weltweit längst nicht genug Impfstoff für alle, die sich piksen lassen wollen. Aber was ist in einem Jahr? Rechtspolitiker von SPD und Union prüfen ein gesetzliches Verbot von Sonderrechten für Menschen mit Corona-Impfung.

„Momentan ist das eine relativ klare Angelegenheit“, sagt Wolfram Henn, Professor für Humangenetik an der Homburger Uniklinik und Mitglied im Deutschen Ethikrat. „Solange nicht jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen, darf es auch keine Privilegien geben. Alles andere wäre wirklich diskriminierend.“

Aber auch wenn ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung stehe, dürften gewisse Grundbedürfnisse nicht beschnitten werden, sagt Henn. „Man kann ungeimpften Menschen nicht verbieten, mit der Bahn zu fahren oder in die Bäckerei zu gehen.“ Solche Regelungen kämen seiner Ansicht nach „einer politisch erzwungenen Impfpflicht“ gleich. „Sich nicht impfen zu lassen, ist unklug und unsolidarisch, aber es darf trotzdem keinen Zwang geben“, sagt Henn. „Ein gewisser sozialer Druck wird sicher aufkommen, das halte ich auch für legitim.“

Henn hatte in der vergangenen Woche mit der Aufforderung an Impfverweigerer, im Krankheitsfall ihr Beatmungsgerät per Patientenverfügung anderen zu überlassen, für bundesweites Aufsehen gesorgt. Gegenüber dem WDR stellte er dann allerdings klar, dass er mit der Aussage „provozieren und im guten Sinne zum Nachdenken anregen“ wolle. Niemand werde im Notfall auf eine Behandlung verzichten.

Ob private Unternehmen überhaupt Menschen ausschließen dürfen, die nicht geimpft sind, hänge „von einer Vielzahl von Faktoren ab, über die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässliche Aussage getroffen werden kann“, erklärt eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Insbesondere, „in welchem Maße eine Impfung nicht nur die geimpfte Person vor einem Ausbruch der Krankheit schützt, sondern auch andere Personen vor einer Ansteckung.“ Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist denkbar, dass Geimpfte zwar selbst nicht erkranken, das Virus aber weitergeben. Die Firma Biontech rechnet mit Daten dazu bis Februar.

„Ganz allgemein“ könne es privaten Anbietern im Rahmen der Vertragsfreiheit freistehen, „den Abschluss von Verträgen oder den Zutritt zu ihren Liegenschaften zu verweigern“, heißt es beim Justizministerium. Anders sei das teils im öffentlichen Personen- und Nahverkehr oder beim Flugverkehr, da gebe es gewisse Pflichten.

Die Bahn, deren Aktien komplett dem Bund gehören, schließt Privilegien oder Nachteile auf Nachfrage eindeutig aus: „Die Deutsche Bahn wird bei der Beförderung ihrer Kunden keinen Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Passagieren machen.“

Der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, hält eine Impfung als Einlass-Voraussetzung für nicht rechtens. Eine Diskriminierung von nicht geimpften Personen wäre „aus juristischer Sicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes“, sagt der Jurist.

All das sind freilich Stimmen aus Deutschland. Klar ist, dass andere Länder eine Corona-Impfung zur Bedingung für die Einreise machen könnten, wir es das schon für Gelbfieber gibt. Natürlich stellt sich dann wieder die Frage der Kontrolle. Einen Immunitätsausweis hatte der Deutsche Ethikrat im September zwar klar abgelehnt – aber unter Verweis auf medizinische Unklarheiten.

Aus Sicht von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) „verbieten sich gegenwärtig Privilegien für Geimpfte“, wie sie sagt – weil es offene Fragen zur Wirkung gebe und noch nicht genug Impfstoff da sei. „Wir sollten die richtigen Diskussionen zur richtigen Zeit führen“, mahnte sie. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Privilegien mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass noch nicht alle die Chance zur Impfung haben. Nur: Das wird sich ändern.

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Foto: Getty Images/iStockphoto/hasan kurt

Viele hoffen, dass diese Debatten sich von selbst erledigen. Nämlich dann, wenn sich ausreichend Menschen freiwillig impfen lassen und die sogenannte „Herdenimmunität“ erreicht wird. 60 bis 70 Prozent der Menschen müssen immun sein, um das Virus zu stoppen, hieß es dazu bisher oft von Experten. Doch auch daran gibt es schon Zweifel. Sicher ist in der Pandemie vor allem eines: die große Unsicherheit.

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