Neue Studien zur Migration Wo viele Geflüchtete, da viele Stimmen für rechte Parteien

Berlin · Anti-Migrations-Parteien gewinnen durch die Migration bei Wahlen an Stimmen. Zwei neue RWI-Studien, die unserer Redaktion exklusiv vorlegen, nehmen die Zusammenhänge genauer unter die Lupe. Der wirtschaftliche Wohlstand einer Region und der Kontakt zwischen Einheimischen und Asylbewerbern hat einen direkten Effekt an der Wahlurne.

Je größer der Bevölkerungsanteil von Geflüchteten in einer Region ist, desto besser schneiden dort rechte Parteien bei der nächsten Wahl ab. Das zeigen zwei neue RWI-Studien.

Je größer der Bevölkerungsanteil von Geflüchteten in einer Region ist, desto besser schneiden dort rechte Parteien bei der nächsten Wahl ab. Das zeigen zwei neue RWI-Studien.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der Zuzug von Geflüchteten hat direkte Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten bei Wahlen. Je mehr Asylsuchende in einer Region leben, desto besser schneiden dort rechte Parteien ab, die ablehnende oder feindliche Positionen gegenüber Geflüchteten vertreten. Zu diesem Ergebnis kommen zwei neue Studien des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen. Eine der Untersuchungen fokussiert sich auf die Kreisebene, die andere auf die Gemeindeebene. Erstere zeigt in Regionen mit starkem Zuzug von Geflüchteten auch Zugewinne für die Grünen - allerdings nur dort, wo die Wirtschaft floriert. Die zweite Studie nimmt das direkte Wohnumfeld in den Blick. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zwischen der ortsansässigen Bevölkerung und den Geflüchteten das Wahlverhalten der Menschen beeinflusst.

 Die Tatsache, dass Anti-Migrations-Parteien durch die Migration profitieren, mag auf den ersten Blick kaum verwundern. Das haben die Erfahrungen der Flüchtlingskrise von 2015 hinreichend gezeigt. Allerdings beleuchten die Untersuchungen die ursächlichen Zusammenhänge zwischen Flüchtlingszuzug und Wahlentscheidungen genauer und preisen auch die wirtschaftlichen Bedingungen in den jeweiligen Regionen, gemessen an der Arbeitslosenquote und dem verfügbaren Einkommen, mit ein. Der Effekt betrifft laut RWI sowohl Bundestags- als auch Landtagswahlen.

Aus Sicht von Julia Bredtmann, Leiterin der Forschungsgruppe „Migration und Integration“ am RWI, ist der Zusammenhang zwischen dem Flüchtlingszuzug und den Wahlerfolgen rechter Parteien auch in der aktuellen politischen Lage relevant. Zwar sei es möglich, dass dieser Zusammenhang in Zeiten, in denen das Thema Migration eine große Rolle spiele, stärker ausgeprägt sei. „Solange jedoch rechte Parteien das Thema weiterhin aufgreifen und in ihrer Zielgruppe Ängste schüren, kann Migration und die Unterbringung von Geflüchteten wahrscheinlich auch in der aktuellen politischen Lage zum Wahlerfolg rechter Parteien beitragen“, sagte Bredtmann.

Wie aus der Untersuchung auf Kreisebene hervorgeht, führt der Zuzug von Asylsuchenden dort zu einer Polarisierung. „Bei wirtschaftlicher Prosperität erhöht die Einwanderung die Unterstützung auf beiden Seiten des politischen Spektrums“, heißt es in der Untersuchung von RWI-Autor Colin Vance und Kollegen. Die Mitte-Parteien CDU und SPD würden hingegen verlieren. „Wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen jedoch verschlechtern, bleibt der Effekt von Asylbewerbern auf den Stimmenanteil für die extreme Rechte stabil, schwächt sich aber für linke Parteien ab und verkehrt sich schließlich ins Negative.“ Dabei werden explizit die Grünen genannt. Diese Divergenz deute darauf hin, dass ein Zustrom von Asylbewerbern in Verbindung mit einem wirtschaftlichen Abschwung ein politisches System nach rechts kippen lassen könnte.

Auch die Art des Kontakts mit Geflüchteten, besonders deren Unterbringung, wirkt sich auf die Wahlergebnisse aus. Das geht aus der zweiten Studie von Julia Bredtmann hervor, die Daten auf Gemeindeebene auswertet und den  Einfluss des Flüchtlingszuzugs im Jahr 2015 auf die Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz untersucht. Sind die Geflüchteten in zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, profitieren rechte Parteien in der betroffenen sowie in angrenzenden Gemeinden. Bei der dezentralen Unterbringung in Wohnungen zeige sich dieser Effekt hingegen nicht.

Die RWI-Forscherin leitet daraus politische Handlungsempfehlungen ab. „Die Politik sollte versuchen, Geflüchtete möglichst gleichmäßig zu verteilen.“ Das sei einerseits aus Integrationsperspektive sinnvoll und wirke andererseits dem Erstarken rechter Parteien in Regionen mit hohem Flüchtlingszuzug entgegen. „Da rechte Parteien vor allem in Regionen mit zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen zulegen, sollten Geflüchtete möglichst schnell dezentral in Wohnungen untergebracht werden“, sagte Bredtmann.

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