Energiewende Wo sollen all die Windräder hin? Zwist zwischen Bund und einigen Ländern

Analyse | Berlin · Zwei Prozent der Landesfläche sollen künftig mit Windrädern bebaut werden. Doch die Debatte darüber, wo am meisten Wind weht und welche Flächen geeignet sind, birgt politischen Sprengstoff. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt ein Appell an die Bundesländer, sich dem Ausbau nicht zu verweigern. Dort gibt es aber eigene Befindlichkeiten.

 ARCHIV - 09.03.2021, Schleswig-Holstein, Bordelum: Windkraftanlagen stehen in einem Windpark im Sönke-Nissen-Koog an der Nordsee im Sonnenaufgang. Nach Ansicht der SPD im Kieler Landtag kann das Land seine Ziele für den Ausbau der Windkraft an Land bis 2025 kaum noch erreichen (zu dpa «Für Nord-SPD Ziel beim Windkraft-Ausbau kaum erreichbar»). Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 09.03.2021, Schleswig-Holstein, Bordelum: Windkraftanlagen stehen in einem Windpark im Sönke-Nissen-Koog an der Nordsee im Sonnenaufgang. Nach Ansicht der SPD im Kieler Landtag kann das Land seine Ziele für den Ausbau der Windkraft an Land bis 2025 kaum noch erreichen (zu dpa «Für Nord-SPD Ziel beim Windkraft-Ausbau kaum erreichbar»). Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Christian Charisius

Der geplante Ausbau von Windkraftanlagen im großen Stil sorgt weiter für hitzige Debatten zwischen Bund und Ländern, aber auch innerhalb manch einer Landesregierung. Zwei Prozent der Landesfläche sollen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden - so sehen es die Pläne der Ampel-Koalition im Bund vor. Doch in einigen Ländern wird dieses Flächenziel in Zweifel gezogen. Oliver Krischer (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hat nun an die Länder appelliert: „Keine Landesregierung wird sich dem notwendigen Ausbau entziehen können, wenn sie Klimaschutzziele erreichen und Versorgungssicherheit garantieren will. Die Zeiten, in denen Windenergie nur an der Küste zu nutzen war, sind lange, lange vorbei“, sagte Krischer unserer Redaktion. Die heutigen Anlagen seien für das Binnenland optimiert - „und da hat gerade Bayern ein großes Potential an guten Windstandorten, was bisher leider brachliegt“, so der Grünen-Politiker.

Bayern steht in der Windkraft-Debatte besonders in Fokus, vor allem wegen der dort geltenden 10-H-Regelung. Sie sieht vor, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnbebauung entfernt sein müssen - bei modernen Windrädern können das zwei Kilometer und mehr sein. Es ist bundesweit die strengste Regelung. Die bayerische Regierungspartei CSU hält bislang unbeirrt an 10-H fest. Zudem wird argumentiert, dass Bayern als „Sonnenland“ weniger geeignet für die Windkraft als andere Länder mit größerem Windaufkommen sei. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte sich allerdings offen dafür gezeigt, die Abstandsregel für Windräder zu überdenken - und sich damit klar gegen den Koalitionspartner CSU positioniert. Doch auch Aiwanger hatte sich dagegen verwehrt, „stur zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen“. Das sei nicht zielführend.

Eine ähnliche Argumentation kommt nun von der sächsischen Landesregierung. „Ein starres Zwei-Prozent-Flächenziel wird den unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern nicht gerecht“, sagte  Thomas Schmidt (CDU), Sachsens Minister für Regionalentwicklung, unserer Redaktion. Schmidt verwies dabei auf unterschiedliche Bevölkerungsdichte, Besiedelungsstruktur und den Anteil der für Windkraft geeigneten Landesflächen.

Aus dem hohen Norden kommt dagegen scharfe Kritik am bayerischen Sonderweg. „Das Stoppen des Klimawandels ist die eine zentrale Menschheitsaufgabe unserer Zeit und auch eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Pauschale Abstandsregelungen einzelner Länder wie 10-H in Bayern passen nicht mehr in die Zeit“, sagte Jan Philipp Albrecht (Grüne), Energieminister in Schleswig-Holstein, unserer Redaktion. Schleswig-Holstein habe bereits zwei Prozent seiner Fläche ausgewiesen und genehmige „auf Rekordniveau“ neue Anlagen, so Albrecht. „Wenn wir mehr machen sollen, und dazu sind wir bereit, dann müssen Länder wie Bayern ihre Sabotage der Energiewende sofort einstellen“, sagte der Grünen-Politiker.

Sachsens Regionalentwicklungsminister Schmidt hält dagegen die pauschale Zwei-Prozent-Regelung des Bundes für „nicht sachgerecht“. „Das gilt auch für Forderungen, dass sich dicht besiedelte Bundesländer wie bei einem Ablasshandel von derartigen Verpflichtungen freikaufen sollen“, so der CDU-Politiker.

Schmidt spielt dabei auf Überlegungen an, mögliche Ausgleichsregelungen zu finden: Länder mit großem Potenzial beim Windkraftausbau könnten mangelnde geeignete Flächen anderer Länder ausgleichen. Im Umweltbundesamt (UBA) wird grundsätzlich begrüßt, die Flächen nach Eignung der jeweiligen Regionen auszuweisen. „Aus Umweltsicht ist eine Verteilung nach Potenzialen als zielführend einzustufen“, sagte ein UBA-Sprecher. Um das Potenzial einer Region zu beurteilen, führt das UBA Kritierien wie den Siedlungsabstand, die Nutzung von Waldflächen oder Landschaftsschutzgebiete an. Zugleich wird darauf verwiesen, dass es einen Ausgleichsmechanismus zwischen Ländern geben sollte, dieser aber noch nicht konkretisiert worden sei.

Laut UBA ist die Windhöffigkeit, also das durchschnittliche Windaufkommen einer Region, in Norddeutschland und in den Höhenlagen am höchsten. Allerdings lägen „bedeutende Lastzentren“, die mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt werden müssten, im Süden Deutschlands. Bereits heute würden diese mit Strom aus Erneuerbaren Energien aus Norddeutschland versorgt. „Um dies auch weiterhin angemessen gewährleisten zu können, ist es wichtig, nicht nur den Netzausbau, sondern auch den Bau von Windenergieanlagen in Süddeutschland voranzutreiben“, heißt es auf dem UBA.

Der Klimaschutz-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Oliver Krischer, bringt noch ein ökonomisches Argument ins Spiel: „Es ist gut, dass sich auch bei den Landesregierungen in Bayern und NRW die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien ein Standortfaktor für die Industrie ist“, sagte Krischer mit Blick auf jene Länder, in denen besonders strenge Abstandsregelungen gelten.

(jd, jw)
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