„Wir wollen keinen Lager-Kandidaten“

Grünen-Fraktionschef Hofreiter über die Rolle seiner Partei bei der Gauck-Nachfolge

Bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten im nächsten Frühjahr könnten die Grünen rechnerisch das Zünglein an der Waage sein. Nach einem Bericht des "Spiegel" will sich die Partei jedoch weder auf einen rot-rot-grünen noch auf einen schwarz-grünen Favoriten festlegen. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Fraktionschef der Partei, Toni Hofreiter.Herr Hofreiter, wäre der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani ein geeigneter Gauck-Nachfolger?Hofreiter: Navid Kermani ist ein hervorragender Schriftsteller, und er kann sehr beeindruckende Reden halten. Das hat er auch schon im Bundestag gezeigt. Aber ich warne davor, jetzt einzelne Namen in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Denn aus Erfahrung kann ich sagen, dass diese Personen dann keinerlei Chancen mehr haben.

Angeblich genießt Kermani auch in der SPD und bei den Linken große Sympathien. Zusammen mit den Grünen könnte das am Ende für eine einfache Mehrheit in der Bundesversammlung reichen...Hofreiter: Noch einmal, ich will hier nicht über einzelne Namen spekulieren. Wichtig ist, dass der Kandidat oder die Kandidatin von einer breiten politischen und gesellschaftlichen Mehrheit getragen wird. Erst wenn diese Person gefunden ist, sollte man damit auch an die Öffentlichkeit gehen. Im Idealfall wäre das eine Frau, denn bislang hatten wir ausschließlich männliche Staatsoberhäupter.

Offenbar mögen sich die Grünen weder auf einen rot-rot-grünen noch auf einen schwarz-grünen Kandidaten festlegen. Warum diese Unentschiedenheit?Hofreiter: Wir wollen keinen Lager-Kandidaten. Uns kommt es auf die Person als solche an. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wirkt durch das Wort. Er oder sie muss die Gesellschaft zusammenhalten.

Werden die Grünen einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken?Hofreiter: Wir sprechen jetzt erst einmal mit den anderen Parteien. Wenn klar geworden ist, welche Kandidaten vorgeschlagen werden, entscheiden wir uns, ob wir jemanden davon mittragen können, oder ob wir einen eigenen Kandidaten präsentieren.

SPD und Union haben in der Bundesversammlung eine große Mehrheit. Können die Grünen wollen, dass Schwarz-Rot den künftigen Präsidenten unter sich ausmacht?Hofreiter: Ob Union und SPD sich wirklich auf einen gemeinsamen Kandidaten festlegen können, ist doch mit einem großen Fragezeichen behaftet. Bislang gibt es dafür jedenfalls keine Anzeichen.

Verspielen die Grünen nicht trotzdem die Chance für ein klares Signal zur Abwahl der großen Koalition im Herbst 2017? Hofreiter: Nein. In die Bundespräsidentenwahl wird viel zu viel hinein interpretiert, was ein künftiges Regierungsbündnis in Berlin angeht. Die Polarisierung in der deutschen Gesellschaft hat stark zugenommen. Da braucht es eine Person, die möglichst alle Schichten in der Bevölkerung ansprechen kann. Das ist schon schwierig genug. Lagerdenken oder parteipolitisches Denken würde die Sache aber noch mehr erschweren. All diese taktischen Überlegungen sind deshalb fehl am Platz.

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