„Wir sind keine FDP 2.0“

Berlin · Bernd Lucke will die von ihm gegründete „Alternative für Deutschland“ nach dem Überraschungserfolg bei der Bundestagswahl jetzt dauerhaft als politische Kraft etablieren. Aber keine Ersatz-FDP sein. Mit dem 51jährigen Euro-Kritiker sprach unserer Berliner Korrespondent Werner Kolhoff.

Herr Lucke, haben Sie schon zusammen gerechnet, wie viel Wahlkampfkostenerstattung Ihre Partei für die 4,7 Prozent vom Sonntag bekommt?
Bernd Lucke: Ehrlich gesagt noch nicht.

Es sind fast 1,5 Millionen Euro. Und zwar jährlich. Was machen Sie mit so einer vollen Kriegskasse?
Bernd Lucke: Damit werden wir die Wahlkämpfe des Jahres 2014 befeuern, die Europawahl und die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In diesen Bundesländern haben wir ja über sechs Prozent der Zweitstimmen bekommen, so dass wir überall gute Chancen haben, in die Parlamente einzuziehen.

Wie erklären Sie sich die guten Ergebnisse in Ostdeutschland?
Bernd Lucke: Wir wissen, dass wir dort einen Teil der Wähler der Linken für uns gewinnen konnten. Dieses Wählerspektrum fehlt in Westdeutschland. Außerdem ist in den neuen Ländern die Bindung an Parteien weniger ausgeprägt, die Bereitschaft etwas Neues zu wählen größer.

Das ist erstaunlich, denn die Linke will in Sachen Euro das Gegenteil wie Sie, nämlich die Zügel gegenüber den Schuldenstaaten in Südeuropa lockern.
Bernd Lucke: Nein, so ist das nicht. Wir sind in der Problemanalyse, dass die angeblichen Rettungskredite die Lage dort nur noch schlimmer machen, einig. Und genau wie die Linke halten auch wir einen Schuldenschnitt für diese Staaten für nötig.

Und wo liegen dann die Unterschiede?
Bernd Lucke: Die Linke stellt die Mitgliedschaft der südeuropäischen Länder im Euro nicht in Frage. Damit entfällt die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder über eine Abwertung zu verbessern.

Strömen nach dem Niedergang der FDP jetzt enttäuschte Liberale zu Ihnen?
Bernd Lucke: Wir haben noch keine genauen Zahlen, aber ich höre aus mehreren Landesverbänden, dass dort auch ehemalige FDP-Mitglieder an die Tür klopfen.

Wollen Sie die FDP beerben?
Bernd Lucke: Wir werden definitiv keine FDP 2.0. Wir wollen uns zu einer Volkspartei entwickeln, die ein breites Programm vertritt. Wir werden darin eine starke Werteorientierung haben, was uns von den Liberalen unterscheiden wird. Wir werden in der Wirtschaftspolitik immer auf eine soziale Absicherung der unteren Einkommensgruppen achten. Aber auch darauf, dass die Marktwirtschaft sich wirklich entfalten kann und nicht von Bürokratie und Regulierung überwuchert wird.

Wollen Sie sich langfristig der Union als FDP-Ersatz für bürgerliche Koalitionen anbieten?
Bernd Lucke: Nein, keineswegs. Wir sind eine eigenständige Partei und entscheiden nach unseren Inhalten, mit wem wir gegebenenfalls zusammenarbeiten würden. Wir haben kein strategisches Interesse daran, der CDU einen verloren gegangenen Bündnispartner zu ersetzen.

Wenn Sie ins Europaparlament einziehen sollten, welches Signal wäre das?
Bernd Lucke: Wir sind nicht gegen Europa. Und auch nicht gegen den Euro. Wir glauben im Gegenteil, dass wir Europa und auch die Währung stabilisieren würden, wenn wir den Südländern die Möglichkeit geben, aus dem Euro-Raum auszuscheiden.

Für Angela Merkel sind Sie vielleicht sogar willkommen. Sie kann den Südeuropäern sagen: Seid froh, ich gebe euch Kredite gegen harte Bedingungen. Die da noch kommen aus Deutschland geben euch gar keine Kredite mehr.
Bernd Lucke: Kredite würden wir zwar nicht geben, aber dafür bekämen die Südeuropäer einen Schuldenschnitt. Das würde das Übel endlich an der Wurzel packen, während die Bundesregierung immer nur an den Symptomen kuriert. Die Rettungskredite helfen in Wirklichkeit doch nur den Gläubigern, an die sie in Form von Zinsen zurückfließen. Aber das Geld hilft den betroffenen Staaten nicht. Es läuft durch Griechenland nur wie durch einen Durchlauferhitzer.

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