Gesundheitspolitik Wie Spahn die Pflegereform vorantreibt

Berlin · Die Pflegebedürftigen sollen entlastet werden. Die Ausgaben aber explodieren jetzt schon.

 Pflege-Eigenanteil_steigt

Pflege-Eigenanteil_steigt

Foto: SZ/Steffen, Michael

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung neu gestalten und Pflegebedürftige dabei entlasten. „Mitte des Jahres werde ich dazu ein Konzept vorlegen“, bekräftigte der CDU-Politiker am Montag noch einmal seine Marschrichtung. In der Diskussion sind mehrere Möglichkeiten.

Jens Spahn war am Montagabend in Düren zu Gast, um mit Fachleuten über Reformvorschlage zur Pflegefinanzierung zu debattieren. Im Rahmen einer Dialogreihe seines Ministeriums sind dazu in den kommenden Monaten noch Veranstaltungen in weiteren Städten wie etwa Kassel, Worms und Pforzheim geplant. Das Thema war wieder in die Schlagzeilen gerückt, nachdem die Pflege-Mindestlohnkommission Ende Januar eine kräftige Anhebung des Mindestlohns für Pflegekräfte vorgeschlagen hatte und die Bundesregierung dafür grünes Licht signalisiert hatte. Weil die Pflegeversicherung aber nur eine Art Teilkasko ist, könnten die Eigenanteile der Pflegebedürftigen in Heimen durch den Lohnschub weiter ungebremst steigen. Schon jetzt sind für die reinen Pflegekosten im Schnitt monatlich knapp 700 Euro aus eigener Tasche fällig. Hinzu kommen noch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen.

Auch bei der Pflegeversicherung selbst sind die Ausgaben allerdings geradezu explodiert. 2018 waren es 41,3 Milliarden Euro – fast doppelt so viel wie im Jahr 2010. Das hat nicht nur mit Leistungsverbesserungen zu tun. „Mit Blick auf die Alterung der Gesellschaft ist ein deutlicher Anstieg der Pflegeausgaben absehbar“, sagte Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Uni Duisburg-Essen, unserer Redaktion. „Schon mit dem geltenden Leistungskatalog werden die Reserven der Pflegeversicherung in spätestens zwei Jahren aufgebraucht sein“. Nötig sei daher ein Bündel von Maßnahmen, um einzelne Bevölkerungsgruppen nicht finanziell zu überfordern, so Wasem.

Grundsätzlich bieten sich hier drei Möglichkeiten oder eine Kombination davon an: Beitragserhöhungen, Steuerzuschüsse sowie eine Stärkung der privaten Eigenvorsorge bei der Pflege. Zuletzt wurde der Pflegebeitrag Anfang 2019 erhöht. Der allgemeine Satz liegt aktuell bei 3,05 Prozent vom Bruttolohn. Allerdings nur bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze. Ist das Gehalt aktuell höher als 4687,50 Euro im Monat, steigt der Pflegebeitrag nicht weiter an, sondern bleibt konstant. Steuerzuschüsse wiederum wären für die Pflegeversicherung eine Premiere. Bislang gibt es sie schon für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung. Allein in die Rentenkasse fließen in diesem Jahr rund 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Bereits seit 2013 gibt es dagegen den sogenannten Pflege-Bahr, benannt nach dem damaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Es handelt es sich um staatliche Zuschüsse für eine private Pflegezusatzversicherung. Diese Förderung ließe sich erweitern.

Insbesondere von der SPD kommt der Vorschlag, die Eigenanteile der Pflegebedürftigen einzufrieren, was die Finanznöte der Pflegeversicherung allerdings verstärken würde. Spahn hält davon offenbar nichts. „Es gibt auch noch andere gute Ansätze, als den Eigenanteil festzuschreiben“, meinte der Minister, ohne dabei konkret zu werden.

Der Bremer Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske mahnte indes eine umfassende Reform an. „Die Finanzierung muss auf eine breitere gesellschaftliche Basis gestellt werden, weil jeder pflegebedürftig werden kann“, sagte Glaeske unserer Redaktion. „Ein erster Schritt wäre die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, so dass höhere Einkommen stärker belastet werden. Sie könnte auch komplett entfallen, denn der Pflegebeitrag ist mit deutlich unter vier Prozent gemessen etwa an der Krankenversicherung doch sehr moderat.“ Dadurch ließen sich auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen verringern, schlug Glaeske vor.

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