Berlin Wie mehr Tests das Coronavirus bekämpfen sollen

Berlin · Gerade Pflegeheime und Krankenhäuser könnten durch bessere Ausnutzung vorhandener Kapazitäten geschützt werden. Doch wer soll das bezahlen?

 In deutschen Laboren wurden vergangene Woche 425 000 Corona-Tests ausgewertet. Mehr als doppelt so viele sind möglich.

In deutschen Laboren wurden vergangene Woche 425 000 Corona-Tests ausgewertet. Mehr als doppelt so viele sind möglich.

Foto: dpa/Hans Klaus Techt

Ein schneller Abstrich in Mund, Nase oder Rachen, ab damit ins Labor: Wenig später ist klar, ob jemand mit dem Coronavirus infiziert ist oder nicht. Das soll künftig sehr viel öfter passieren, um etwa Krankenhäuser und Pflegeheime besser zu schützen – und den Bürgern in Deutschland schrittweise wieder einen halbwegs normalen Alltag zu ermöglichen. Denn in den Laboren können sehr viel mehr Tests ausgewertet werden, als derzeit eingereicht werden.

Die Grundlage dafür haben Bundestag und Bundesrat schon beschlossen. Nun ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dabei, Details in einer Verordnung konkret zu machen. Doch nun droht Streit ums Geld. Pfleger und Ärzte haben außerdem auch noch ein anderes Problem.

Wer soll von jetzt an zusätzlich getestet werden?

Spahn hat insbesondere Krankenhäuser und Pflegeheime im Blick. „Wenn Patienten und Bewohner aufgenommen oder verlegt werden, sollten Sars-CoV-2-Tests die Regel sein“, sagte er der Zeitung Die Welt. Gebe es in einem Heim oder einer Klinik einen Infektionsfall, müssten alle Mitarbeiter sowie Patienten oder Bewohner getestet werden. Zudem soll auch ein Anrecht auf einen Test auf Kassenkosten haben, wer zwar Kontakt mit einem Infizierten hatte, aber selbst keine Symptome hat. Die Kapazität dafür sei da: Vergangene Woche seien 425 000 Tests durchgeführt worden, mehr als doppelt so viele seien möglich.

Werden diese Tests dann überall Pflicht?

Spahn kann sie mit seiner Verordnung nur ermöglichen. „Entschieden wird das von den Behörden vor Ort“, erklärte sein Sprecher. Die Ausweitung der Tests hat aber viele Fürsprecher. Regelmäßige und symptom­unabhängige Tests seien nicht nur in Krankenhäusern notwendig, sondern auch in der Altenpflege und der Behindertenhilfe, heißt es etwa bei der Gewerkschaft Verdi. Wahllos solle man dabei aber nicht vorgehen, mahnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung: „Es ist richtig, viel zu testen – aber gezielt und da, wo es medizinisch sinnvoll ist“, sagte ein Sprecher. „Häufige Tests bei medizinischem Personal und ihrem Umfeld durchzuführen, ist ein richtiger Ansatz.“

Was kosten die Tests und wer bezahlt dafür?

In der Regel die Krankenkassen. Das will jedenfalls das Ministerium so festlegen – das gilt übrigens auch für Antikörper-Tests, die zeigen sollen, ob jemand schon eine Infektion durchgemacht hat. 59 Euro kostet ein Test. Es könnte aber noch Ärger um die Finanzierung geben. Denn die Kassen wollen das nicht auf sich sitzen lassen. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, in vielen Fällen die Reihentests zunächst zu finanzieren“, erklärte ein Sprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Kassen. Man wolle sich das Geld vom Bund zurückholen – denn die Pandemiebekämpfung sei eine staatliche Aufgabe. Auch Verdi mahnt, die Kosten dürften nicht den gesetzlich Versicherten aufgebürdet werden, sie müssten aus Steuermitteln bezahlt werden.

Das sehen die Kommunen anders. Die Kassen seien auch für Prävention zuständig, argumentiert der Deutsche Städtetag. „Außerdem sparen die Kassen letztlich erheblich Kosten, wenn weniger Menschen infiziert werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Sein Kollege Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund mahnte, Krankenkassen dürften breite Testverfahren nicht über Abrechnungsmodalitäten bremsen. „Die Eindämmung der Pandemie und damit die Überwindung der Krise im ganzen Land darf nicht an den vergleichsweise geringen Kosten für die Testverfahren scheitern.“

Gibt es noch Probleme bei der Versorgung mit Schutzausrüstung?

Ja. Der Ärzte-Berufsverband Marburger Bund hatte in der ersten Mai-Hälfte mehr als 8700 Ärzte befragt, die allermeisten davon in Krankenhäusern. 62 Prozent teilten mit, ausreichend Schutzkleidung zu haben, 38 Prozent verneinen dies. Die größten Probleme gibt es demnach mit medizinischen Atemschutzmasken. „In vielen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten, Behindertenhilfe und im Rettungsdienst fehlen derzeit Teile der Schutzausrüstung“, kritisiert auch die Gewerkschaft Verdi. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft gab an, die Versorgungslage habe sich zwar gebessert, aber „noch nicht das optimale Niveau erreicht“.

Wer ist dafür verantwortlich?

Berichte, dass es beim Bundesgesundheitsministerium selbst hake, wies dieses entschieden zurück: Man habe Kassenärztliche Vereinigungen und Länder mit etwa 400 Millionen Masken versorgt – diese seien aber dafür verantwortlich, dass die Masken auch in Praxen und Kliniken ankommen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wiederum verwies am Freitag auf die Länder: „Im Pandemiefall sind nach dem Infektionsschutzgesetz die Bundesländer zuständig für die Bereitstellung von ausreichend Schutzmaterial“, sagte ein Sprecher.

Welche Probleme gibt es noch?

Spahns Ministerium hat „logistische Probleme“ eingeräumt – dabei geht es um die Qualitätskontrolle für Schutzausrüstung und die Zahlung an die Lieferanten. Ein Fünftel der gelieferten Ware sei mangelhaft gewesen, sagte ein Sprecher, deswegen gebe es eine zeitintensive Kontrolle. Das führe zu Problemen bei der Auszahlung. Teils fehlten aber auch Lieferscheine oder Tüv-Protokolle, oder Rechnungen seien fehlerhaft.

Wie will die Bundesregierung für die Zukunft vorsorgen?

Das Bundesgesundheitsministerium will eine dauerhafte nationale Reserve an medizinischer Schutzkleidung aufbauen, wie Spahn der Zeitung Die Welt sagte. Diese könnte mehrere Lagerhallen in Anspruch nehmen – je nachdem, wie groß sie wird und ob etwa auch Medikamente, die ja eine begrenzte Haltbarkeit haben, oder Beatmungsgeräte eingelagert werden. Ein Sprecher sagte, das Konzept dafür werde gerade erarbeitet.

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