Reform des Wahlrechts Wie das Wahlrecht künftig aussehen soll

Berlin · Seit Jahren wird um eine Verkleinerung des Bundestags gerungen. Die Ampel will Ende der Woche eine Reform beschließen, die Opposition läuft Sturm: Die Union meint, er schade der Demokratie. Die Linke sieht sich sogar in ihrer Existenz bedroht.

 Im Bundestag sollen künftig weniger Abgeordnete sitzen.

Im Bundestag sollen künftig weniger Abgeordnete sitzen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nun soll es endlich soweit sein: Nach jahrelangen Debatten soll eine Wahlrechtsreform den Bundestag verkleinern. Die Ampel-Parteien haben sich untereinander verständigt, mit der Opposition gab es dagegen keine Einigung.

Der Ampel-Gesetzentwurf, der am Freitag erstmals im Bundestag behandelt werden soll, sieht folgendermaßen aus: Der Bundestag soll von 736 auf dauerhaft 630 Abgeordnete nach der nächsten Wahl 2025 verkleinert werden. Die Überhang- und Ausgleichsmandate sollen nun wegfallen. Die Zahl der Wahlkreise bleibt bei 299. Es werden aber nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nur doppelt so viele Mandate vergeben - also 598 - sondern 32 mehr. Damit soll die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis über die Erststimmen gewinnen und trotzdem nicht in den Bundestag kommen, möglichst klein gehalten werden. 2021 war das Parlament auf die Rekordgröße von 736 Abgeordneten angewachsen.

Der Grund ist das deutsche Wahlsystem mit seinen zwei Stimmen. Mit der ersten kann man in seinem Wahlkreis - davon gibt es 299 - eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten direkt wählen. Aus den Zweitstimmen berechnet sich der Anteil der Sitze, den eine Partei im Bundestag insgesamt bekommt. Erringt eine Partei über die Zweitstimme weniger Sitze, als sie über die Erststimme Wahlkreise gewinnt, bekommt sie sogenannte Überhangmandate zugesprochen. Die anderen Parteien erhalten dann wiederum Ausgleichsmandate.

CDU und CSU laufen Sturm gegen das Ampel-Vorhaben, besonders aus München kommt harsche Kritik. CSU-Chef Markus Söder kündigte erbitterten Widerstand gegen die Vorschläge der Ampelkoalition an. „Bis zur letzten Sekunde“ werde die CSU dagegen vorgehen, sagte Söder nach einer Sitzung des Parteivorstands in München. Notfalls werde es eine Verfassungsbeschwerde geben. „Die Abgeordneten werden nicht mehr gewählt, sie werden zugeteilt“, sagte Söder. „Mit dem Wahlrecht spielt man nicht“, sagte der bayerische Ministerpräsident. „Wir halten viele Punkte für verfassungsmäßig fragwürdig.“

Die CSU wäre von der Neuregelung besonders stark betroffen. Traditionell gewinnt die CSU fast alle der möglichen Direktmandate in Bayern. Auf Bundesebene erreicht die CSU allerdings nur einstellige Prozentanteile, da sie außerhalb Bayerns im Rest der Bundesrepublik nicht auf dem Stimmzettel steht. Würde allein das bundesweite Zweitstimmen-Ergebnis für die Bemessung der Zahl der Mandate herangezogen, würde einigen CSU-Parlamentariern der Weg ins Parlament versperrt. Auch CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei nannte die geplante Reform „verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematisch“.

Sein Amtskollege Jan Korte von der Linksfraktion wirft SPD, Grünen und FDP sogar ein „schäbiges“ Vorgehen gegen politische Gegner vor. „Dieser Vorschlag zielt einzig gegen die linke Opposition, die man versucht, mittels des Wahlrechts politisch platt zu machen.“ Die Linke hat mit einem anderen Punkt des Reformplans ein Problem - der für sie sogar eine existenzielle Bedeutung hat. Die Ampel will die sogenannte Grundmandatsklausel streichen, ohne die die Linke heute nicht im Bundestag wäre. Diese Klausel sorgt dafür, dass auch Parteien ins Parlament einziehen können, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten. Sie müssen dafür drei Direktmandate über die Erststimmen gewinnen.

Das schaffte die Linke 2021 und zog mit insgesamt 39 Abgeordneten ins Parlament ein, obwohl sie nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreicht hatte. Fraktionsgeschäftsführer Korte sieht nun in der Abschaffung der Klausel einen gezielten Angriff auf seine Fraktion. „Mit der Streichung der demokratisch sinnvollen Grundmandatsklausel erfüllen die Ampelparteien der AfD einen großen Wunsch“ - die Verdrängung der Linken aus dem Bundestag, sagte Korte.

Gut möglich, dass die Wahlrechtsreform am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landet. Zu einer möglichen Klage in Karlsruhe haben sich Linke und Union aber noch nicht geäußert.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wiederum verteidigte die Pläne der Ampel-Koalition als „überfällig“. „Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf beenden wir das jahrelange Ringen um eine endgültige Reform des Wahlrechts“, erklärte Haßelmann und warb zugleich um Zustimmung bei der Opposition zu dem Entwurf.

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