Justizministerin Barley geht nach Brüssel Stühlerücken bei SPD kann beginnen

Berlin · Justizministerin Barley will auf alle Fälle nach Brüssel wechseln. Wer könnte ihr nachfolgen? Die Blicke richten sich offenbar in die Bundestagsfraktion.

Egal wie die Europawahl ausfällt: Bundesjustizministerin Katarina Barley will auf jeden Fall nach Brüssel wechseln. Doch nicht allein deshalb könnte es bei der SPD ein großes Stühlerücken geben.

Egal wie die Europawahl ausfällt: Bundesjustizministerin Katarina Barley will auf jeden Fall nach Brüssel wechseln. Doch nicht allein deshalb könnte es bei der SPD ein großes Stühlerücken geben.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es waberten bereits Gerüchte durch Berlin, Katarina Barley werde noch einmal einen Rückzieher machen nach einer vergeigten Europawahl. Dann werde sie doch nicht nach Brüssel wechseln, wurde selbst in der SPD spekuliert. Die Noch-Justizministerin und Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten hat nun klar gestellt: „Am 26. Mai ist Schluss.“ Das Stühlerücken bei den Genossen kann beginnen.

Ihr Gesuch auf Entlassung als Justizministerin sei schon geschrieben, so Barley. „Ich werde es noch am Wahlabend der Bundeskanzlerin weiterleiten. Mein Wort drauf.“ Auch habe sie ihre Wohnung in Berlin gekündigt, den Mietvertrag in Brüssel unterzeichnet. Also Schluss mit den Gerüchten. Sie kamen auf, weil Barleys Kampagne nicht richtig zünden wollte. Auf Plakaten lächelt sie zwar im Europapulli oder macht Selfies mit jungen Leuten. Doch die Genossen verharren bei etwa 17 Prozent in den Umfragen, zehn Prozent weniger als noch vor fünf Jahren. Es läuft nicht für die SPD. Und was will man dann noch in Brüssel bewegen?

Barley geht trotzdem. Da stellt sich die Frage, wer ihr nachfolgen wird. Dem Vernehmen nach führt Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles darüber schon länger intensive Gespräche. Die Blicke richten sich offenbar in die Bundestagsfraktion: „Wir haben dort einige gute Juristinnen“, sagt ein hochrangiger Sozialdemokrat. Immer wieder wird der Name von Fraktionsvize Eva Högl genannt. Sie ist freilich Berlinerin. So, wie Familienministerin Franziska Giffey. Zwei Kabinettsmitglieder aus einem Landesverband wären aus Proporzgründen nicht durchsetzbar. Selbst wenn SPD Hoffnungsträgerin Giffey über die Plagiate in ihrer Doktorarbeit stolpern sollte, ist Högl „kein Selbstläufer“, wie in Fraktionskreisen betont wird. „Es gibt einen breiten Widerstand.“ Die 50-Jährige ist nicht gerade beliebt. Auch zeitlich würde es nicht passen. Im Moment prüft die Uni Giffeys Dissertation noch. Gestern war zu hören, dass sich ein Ergebnis bis zum Ende des Jahres hinziehen könnte. Überdies will die SPD-Spitze Giffey möglichst im Amt halten.

Als Favoritin gilt deshalb offenbar eine andere: Sonja Steffen. Die 56-jährige Justitiarin der Fraktion ist „hoch anerkannt“, verlautet es. Sie stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. Ein ostdeutsches Kabinettsmitglied fehlt der SPD sowieso. Zudem ist Steffen Rechtsanwältin. Zwei Namen aus den Ländern fallen hinter den Kulissen außerdem immer wieder: Der der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Stefanie Hubig, die freilich schon abgelehnt hat. Und der der künftigen Landeschefin der Hessen-SPD, Nancy Faeser. Ihre Ambitionen sollen freilich eher in Hessen liegen, die Spitzenkandidatur ist dort frei geworden.

Die Europawahl ist allerdings nicht der einzige Urnengang, auf den die SPD mit bangem Blick schaut. Für ein weiteres Stühlerücken könnte die zeitgleich stattfindende Wahl in Bremen sorgen. Sollte es auch im Stadtstaat eine drastische Niederlage für die seit Jahrzehnten regierenden Genossen geben, stellt sich sogar die Frage nach der politischen Zukunft von Andrea Nahles. Es gibt Überlegungen, sie dann aus ihrem Job der Fraktionschefin zu drängen – Interesse an der Nachfolge soll der mächtige, aber weitgehend blasse NRW-Landesgruppenchef Joachim Post haben. Auch Fraktionsvize Matthias Miersch wird neuerdings genannt.

Dass der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz oder Ex-Parteichef Sigmar Gabriel zurückkommen könnten, gilt eher als unwahrscheinlich, wenn auch nicht ganz ausgeschlossen. Nahles, so heißt es, wolle aber kämpfen und beide Funktionen unbedingt zusammenhalten. „Es gibt eine Unzufriedenheit mit ihr“, räumt ein SPD-Mann ein. Aber die Wechsel in Spitzenämtern „sind in den letzten Jahren auch nie der Weisheit letzter Schluss gewesen“.

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