Ärtzemangel Wenn der Patient den Arzt nicht mehr versteht

Saarbrücken/Leer · Die Zahl ausländischer Ärzte steigt derzeit rapide. Damit können zwar Personallücken gestopft werden, aber das Sprachproblem wächst.

 Die Zahl der ausländischen Ärzte steigt derzeit rapide.

Die Zahl der ausländischen Ärzte steigt derzeit rapide.

Foto: picture alliance / dpa/Patrick Seeger

() Als Oma Waltraud aus dem Nordsaarland im Spätsommer wegen ihrer Hüfte in die Klinik musste, kam ihr eine Sache seltsam vor. Die Dame ist weit über 80, sie hört nicht mehr gut, aber diesem dunkelhäutigen Arzt konnte sie praktisch gar nicht folgen. „Ich verstehe den nicht“, sagte sie später zu ihrer Tochter, als der Mediziner aus dem Raum war. Um dann die simple Frage zu stellen: „Gibt es denn nicht genug deutsche Ärzte?“ Die Antwort lautet: Nein, gibt es nicht. Noch mehr als in vielen anderen Bereichen ist der Fachkräftemangel in Deutschlands Krankenhäuser deutlich spürbar, täglich zu erleben.

So wie Oma Waltraud geht es in saarländischen Kliniken vielen Patienten. Denn hierzulande hat sich die Zahl der praktizierenden ausländischen Ärzte in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2007 haben 384 zugewanderte Ärzte im Saarland gearbeitet, davon etwa 62 Prozent, also 238 Ärzte, in Krankenhäusern, teilte die Ärztekammer des Saarlandes mit. In diesem Jahr sind es 888 ausländische Ärzte, die an der Saar arbeiten. 685 davon in Kliniken. Das sind etwa 77 Prozent. Auch bundesweit hat sich die Zahl ausländischer Mediziner verdoppelt. 2016 zählte die Bundesärztekammer 41 658 berufstätige Ärzte - elf Prozent der Ärzteschaft. Besonders viele davon sind in Krankenhäusern auf dem Land angestellt.

Aber nicht nur die Patienten haben Schwierigkeiten ihre behandelnden Ärzte zu verstehen und sich über ihren Krankheitszustand zu informieren. Auch die ausländischen Ärzte leiden unter ihren lückenhaften Sprachkenntnissen, die sie in der Kommunikation mit Kollegen und vor allem älteren Patienten, die kein Englisch sprechen, einschränken.

Die aus Bosnien-Herzegowina stammende Assistenzärztin Dr. Almira Kovacevic aus Völklingen hat keine Schwierigkeiten, sich mit ihren Patienten zu unterhalten. Aber für viele ihrer ausländischen Kollegen sind solche Gespräche, vor allem mit älteren Patienten, immer noch eine große Herausforderung. Sie arbeitet seit sechs Jahren auf der Nephrologie in der SHG Klinik in Völklingen und sieht tagtäglich in ihrem Arbeitsumfeld, wie schwer es für ausländische Ärzte ist, sich in den Kliniken zu integrieren: „Wenn die berufsbezogene Kommunikation mangelnd ist, drohen Missverständnisse, und vor allem leidet der Austausch mit Patienten und Kollegen darunter.“

Eine Ursache für die lückenhafte sprachliche Verständigung sieht die 34-Jährige Assistenzärztin in der unzureichenden Struktur der angebotenen Deutsch-Sprachkurse: „Die tägliche Kommunikation mit Kollegen und Patienten und deren Angehörigen muss im Mittelpunkt stehen.“ Um Verständnisprobleme zu verringern, wünscht sich Kovacevic, dass die deutschen Ärzte ihre ausländischen Kollegen bei Sprachproblemen unterstützen.

Ein Grund für die steigende Zahl ausländischer Ärzte sei insbesondere der Fachkräftemangel – nicht nur im Saarland, sondern in ganz Deutschland, sagt Alfons Vogtel, Geschäftsführer der SHG-Kliniken des Saarlandes: „Der gravierende Ärztemangel ist jedoch nicht nur auf dem Land, sondern auch in städtischen Kliniken ein großes Problem.“ Auch in den Krankenhäusern in Saarbrücken sei in den letzten Jahren die Zahl der ausländischen Mediziner gestiegen. Trotzdem sei es einfacher, einen Chefarzt für eine Klinik in Saarbrücken zu finden als etwa für Merzig. Die Gründe hierfür seien vielfältig, jedoch würden das kulturelle Angebot und die Freizeitmöglichkeiten einer Stadt für viele Ärzte und ihre Familien eine große Rolle spielen, sagt Vogtel weiter.

Solange sich an der Situation nichts ändert, müssen Krankenhäuser auf dem Land kreativ werden, um ihre Stellen zu besetzen. Der Chefarzt im ostfriesischen Borromäus-Hospital, Jörg Leifeld, beispielsweise hat 2012 das Projekt zur Anwerbung von spanischsprachigen Medizinern gestartet und die dreisprachige Internetseite www.medicoenalemania.org eingerichtet. Mit Einsparungen im Gesundheitssystem sei in Spanien der Druck vor allem auf dort tätige südamerikanische Ärzte gewachsen, sagt er. „Wir unterstützen sie mit Sprachkursen während der Arbeitszeit, es gibt einen Ärztestammtisch in Spanisch und ein Mentorenprogramm“, berichtet der Chef der Urologie. Die ausländischen Kollegen werden Leifeld zufolge auch bei Fragen zur Visum-Verlängerung oder Berufsanerkennung unterstützt. Der Chefarzt findet es gut, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation mittlerweile bundesweit einheitlich geregelt sind. Gefordert ist ein fortgeschrittenes Sprachniveau (C1), das in einer medizinischen Fachsprachprüfung festgestellt wird.

Von einer höheren sprachlichen Ausbildung profitieren dann nicht nur ältere Patienten wie Oma Waltraud, sondern auch die Ärzte. Denn deren Kommunikation untereinander wird dadurch ebenfalls verbessert.

(dpa)
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