Wahl des Bundestagspräsidenten kann sich bis ins Schloss Bellevue auswirken Die Ampel-Rochade

Endlich wieder eine Frau? Der Bundestag hatte elf Männer und erst zwei Frauen als Präsidenten. Jetzt werden bei den Grünen Claudia Roth, Britta Haßelmann und Katrin Göring-Eckardt für diesen wichtigen Posten gehandelt

Nachfolgerin oder Nachfolger gesucht: Wolfgang Schäuble eröffnet die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages kommende Woche nur noch als Alterspräsident

Nachfolgerin oder Nachfolger gesucht: Wolfgang Schäuble eröffnet die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages kommende Woche nur noch als Alterspräsident

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Von Gregor Mayntz, Holger Möhle und Hagen Strauß

Ist der Fortschritt wieder ein Mann -- oder soll er endlich eine Frau sein? Diese Fragen müssen die Koalitionäre in spe auch beantworten, wenn am Dienstag der kommenden Woche der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt. Wie war das gleich nochmal? Als „Fortschrittskoalition“ wollen SPD, Grüne und FDP das Land in den nächsten vier Jahren voranbringen. Fortschritt könnte in diesem Fall bedeuten, dass nach vielen Jahren endlich wieder eine Frau als Präsidentin dem Plenum vorsteht. Nach Annemarie Renger (SPD) und Rita Süssmuth (CDU) wäre es in der Geschichte des Bundestages erst die dritte Frau an der Spitze des Bundestages – bei insgesamt elf Männern als Bundestagspräsidenten.

Eröffnen wird diese erste Sitzung des neu gewählten Parlamentes aber definitiv noch ein Mann: inzwischen 79 Jahre und einen Monat alt und seit mittlerweile beinahe unglaublichen 49 Jahren Mandatsträger des Bundestages. Wolfgang Schäuble, zuletzt Bundestagspräsident, wird als dienstältester Abgeordneter --   gemessen nach Jahren der Zugehörigkeit zum Bundestag -- und somit als Alterspräsident die alten und neuen Abgeordneten begrüßen. Zwar sind die AfD-Mandatsträger Alexander Gauland (80) und Albrecht Glaser (79 Jahre und neun Monate) noch älter als Schäuble, aber eben nicht nach Dienstjahren im Plenum.

Doch dann könnte die Stunde der Frauen schlagen. Wer wird neuer Bundestagspräsident oder eben nächste Bundestagspräsidentin? Normalerweise gilt, dass die stärkste Fraktion des Bundestages auch den Präsidenten oder die Präsidentin stellt. Das ist seit dieser Bundestagswahl die SPD. Aber: Dass die SPD in diesen rot-gelb-grünen Zeiten von Aufbruch und Erneuerung mit Bundeskanzler, Bundestagspräsident und Bundespräsident gleich drei Männer für höchste politische Ämter und Staat, Regierung und Parlament stellt, wäre vermutlich dann mindestens ein Mann zu viel. Rolf Mützenich, einflussreicher SPD-Fraktionschef, wird für den Posten des Parlamentspräsidenten gehandelt. Aber erstens ist Mützenich ein Mann. Zweitens sagt der mögliche nächste Bundeskanzler, Olaf Scholz, dass er den Kölner just auf dem Posten des Fraktionschefs behalten möchte. Und drittens hat Mützenich als Chef der größten Koalitionsfraktion mehr Macht als auf dem eher repräsentativen Stuhl des Bundestagspräsidenten. 

Die Entscheidung, wer nächste Bundestagspräsidentin oder nächster Bundestagspräsident wird, könnte sich bis ins Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten, auswirken. Steht an der Spitze des Parlamentes weiter ein Mann, könnte es wiederum für Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier eng werden, wenn die Bundesversammlung am 13. Februar kommenden Jahres den Bundespräsidenten entweder bestätigt – oder eine(n) Neue(n) wählt. Denn drei Männer an der Spitze von Staat, Regierung und Parlament – das wäre wohl zu viel des Maskulinen. So dürfte Steinmeier hoffen, dass für den Präsidentenstuhl im Bundestag eine (SPD-)Frau zum Zuge kommt. SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans betonte: „Es gibt eine Reihe von geeigneten Frauen und Männern in der SPD-Fraktion, angefangen bei unserem Fraktionschef Rolf Mützenich.“ Unter anderem fallen die Namen von Bärbel Bas aus Duisburg und Kerstin Griese aus Ratingen. Steinmeier wiederum hat früh in diesem Jahr Pflöcke eingeschlagen, als er bereits im Mai seine Bereitschaft erklärte, für eine zweite Amtszeit in Bellevue zu kandidieren.

Auch bei den Grünen-Frauen hat das Stühlerücken für mögliche hohe Ämter schon begonnen. So fallen auch die Namen von Britta Haßelmann, Claudia Roth oder Katrin Göring-Eckardt für den Posten der Bundestags-Präsidentin – eine Ampel-Rochade vorausgesetzt, denn eigentlich hat die SPD den Zugriff. Wenn in dieser Woche die erste Runde konkreter Koalitionsverhandlungen beginnt, könnte das Personaltableau zumindest informell schon bestückt sein. Wird der nächste Bundestagspräsident tatsächlich ein Mann, kämen wieder die Grünen ins Spiel, die womöglich auf eine weibliche Kandidatin aus ihren Reihen für das Amt der Bundespräsidentin drängen. Und dann wäre die SPD gefragt: Ist sie bereit, Steinmeier für den Ampel-Frieden zu opfern? 

Wer will noch mal? Wer hat noch nicht? Das gilt auch für die gebeutelte Unionsfraktion. Dort werden die Namen von Hermann Gröhe, Michael Grosse-Brömer, Monika Grütters und Annette Widmann-Mauz für einen der Posten des Bundestags-Vizepräsidenten gehandelt. Aus Kreis jüngerer Unionsabgeordneter ist zu hören, dass von den Kandidatinnen und Kandidaten möglichst niemand GroKo-belastet sein dürfe. 

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