Nöte von Schülern Wenn Angst vor der Schule Kinder krank macht

München · Zehntausende Schüler in Deutschland leiden unter Schulangst – und gehen häufig nicht zum Unterricht. Betroffene Kinder brauchen oft eine Psychotherapie.

  Viele Kinder haben so große Angst vor der Schule, dass sie beim Lernen nicht klar denken können. 

Viele Kinder haben so große Angst vor der Schule, dass sie beim Lernen nicht klar denken können. 

Foto: dpa/Helen Ahmad

Angst vor schlechten Noten, fiese Mitschüler, Stress – Schule kann für Kinder hart sein. Für manche ist es so schlimm, dass sie krank werden. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit können die Folge sein. Viele gehen dann gar nicht mehr zur Schule. Fachleute sprechen von Schulangst und Schulphobie. Für Schulpsychologen ist es ein alltägliches Thema. Etwa 3,5 Prozent der rund elf Millionen Schulkinder in Deutschland sind laut DAK-Kinder- und Jugendreport von Schulangst oder Schulphobie betroffen – Jungen etwas häufiger als Mädchen. Das hat aber nichts mit Schwänzen zu tun. Denn im Gegensatz zum Schwänzen wüssten Eltern in der Regel davon.

Schulphobie sei meist eine Trennungsangst und trete bereits ab der Einschulung auf, erklärt Astrid Holch, Oberärztin der Kinder- und Jugendpsychosomatik an der München Klinik Schwabing. „Die Schulangst bezeichnet die tatsächlichen konkreten Ängste in der Schule. Prüfungsangst, soziale Ängste, Ängste aufgrund von Leistungsüberforderung oder durch erfahrenes Mobbing in der Schule.“ Dass Schmerzen bei Kindern eine psychologische Ursache haben, ist nicht immer leicht festzustellen. „Anfangs gibt es eher unspezifische Zeichen – Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, vielleicht auch Rückenschmerzen – so dass es mal hier und mal da etwas gibt“, sagt Holch. Wichtig sei es für Eltern zunächst, ihr Kind ernst zu nehmen, so Andreas Oberle, Leiter der Sozialpädiatrie am Olgahospital Stuttgart.

Die Ursachen für Schulangst und Schulphobie sind vielfältig. Man müsse verstehen, wie ein Kind tickt, meint Oberle. Neben individuellen Gründen wie einer psychischen Störung, einer Lese- oder Rechenschwäche oder Angst vor Bestrafung, gibt es auch Gründe aus dem Umfeld des Kindes: Tod, Erkrankung, Trennung der Eltern, aber auch das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Gerade bei Problemen zu Hause könnten sich viele Kinder nur noch schwer auf den Unterricht konzentrieren: „Das Kind hat den Kopf überhaupt nicht mehr zum Lernen frei“, sagt Gereon Schädler, Chefarzt Neuropädiatrie am Klinikum Josefinum in Augsburg.

Um einem Kind mit Schulangst oder Schulphobie zu helfen, ist häufig eine Psychotherapie notwendig. Ob stationär oder ambulant hängt dabei vom Einzelfall ab. Eine Therapie dauert laut Schädler rund ein bis anderthalb Jahre. Neben einer klassischen Gesprächstherapie gibt es Musik-, Kunst- und Bewegungstherapien. Bei gemeinsamen Ausflügen etwa zum Klettern sollen die Jugendlichen einen Zugang zu ihren Gefühlen finden, eigene Grenzen überwinden und Vertrauen lernen. Teil der Therapie ist auch das Herantasten an die Schule. „Die Annäherung zurück an die Schule erfolgt schrittweise. Manchmal geht der erste Schulbesuch nur bis zum Gebäude oder man sagt im Sekretariat ,Hallo‘“, erklärt Holch.

Oftmals kämen die Kinder aber erst zu einem therapeutischen Erstgespräch, wenn sie bereits mehrere Monate in der Schule gefehlt haben, so die Experten. „Grundsätzlich gilt: Je früher man sich professionelle Hilfe holt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Situation für die Betroffenen schnell wieder bessert“, heißt es beim Schulpsychologischen Dienst München.

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