Fragen und Antworten Warum ein baldiges AfD-Verbot unwahrscheinlich ist

Berlin · In wenigen Wochen sind Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, wo die AfD stärkste Kraft werden könnte. Es gibt immer wieder Forderungen nach einem Verbot der Partei. Warum das kurzfristig nichts ändern würde

Wahlkampf in Brandenburg mit Stand der AfD-Jugendorganisation. Die Luftballons wurden dabei offenbar als „Abschiebeflieger“ bezeichnet.

Wahlkampf in Brandenburg mit Stand der AfD-Jugendorganisation. Die Luftballons wurden dabei offenbar als „Abschiebeflieger“ bezeichnet.

Foto: dpa/Frank Hammerschmidt

In Sachsen und Thüringen stehen am 1. September Landtagswahlen an, drei Wochen später wird auch in Brandenburg gewählt. In allen drei Bundesländern liegt die AfD vorne. Wegen des Erfolgs der Rechtspopulisten gibt es immer wieder Forderungen nach einem Verbot. Doch es gibt Risiken.

Wie kommt es zu einem Parteiverbotsverfahren?

Parteien sind für die politische Willensbildung in der Demokratie von großer Bedeutung. Sie genießen daher einen besonderen Schutz. Für Parteiverbotsverfahren ist daher das Bundesverfassungsgericht zuständig. Den Antrag für ein Verbotsverfahren können Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung stellen. Bislang zeichnet sich das aber nicht ab.

Was wären die Voraussetzungen?

Parteien sind dann verfassungswidrig, wenn sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen. Damit ein Verbot Erfolg hat, müssen sie nachweislich dabei auch eine aggressive Haltung an den Tag legen und es darf nicht völlig ausgeschlossen sein, dass sie ihr Ziel auch erreichen. An Letzterem ist etwa ein NPD-Verbot 2017 gescheitert: Sie wurde als zu klein und unbedeutend eingestuft, um ihre Ziele durchzusetzen.

Die AfD ist nicht unbedeutend. Ist sie verfassungsfeindlich?

Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat im Mai entschieden, dass der Verfassungsschutz die Partei zu Recht als extremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Die AfD geht jedoch gegen das Urteil vor. Laut dem Berliner Politologen Hajo Funke ist der Sachverhalt klar: „Die AfD ist verbotsfähig“, sagte er unserer Redaktion und verwies auf Kriterien der Karlsruher NPD-Entscheidung. Mit Blick auf die AfD betonte er: „Es ist eine völkisch-rassistisch orientierte, gegen das Grundgesetz und die Menschenwürde gerichtete, politische Organisation.“

Warum wurde ein Verbotsverfahren bisher nicht beantragt?

Viele Spitzenpolitiker sagen, wie auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), man müsse die AfD politisch stellen. Andere weisen auf das Risiko hin, dass ein solches Verfahren scheitern könnte. Überdies dauert es sehr lange und ändert für die kommenden Wahlen nichts. Politologe Funke gibt zu bedenken, dass der gesamte Prozess vermutlich zwei bis vier Jahre dauern würde. „Das wäre nach der nächsten Bundestagswahl.“ Funke sagt: „Vor diesem Hintergrund ist eine Fixierung auf die Verbotsdebatte eine Ablenkung von dem, was eigentlich zu tun ist: Es braucht eine effiziente, glaubwürdige Politik der Regierung, die sich um abgehängte Regionen kümmern und die Menschen ernst nehmen muss.“

Funktioniert die wehrhafte Demokratie also nicht im Falle der AfD?

Zumindest gibt es Zweifel, was die Wirkung repressiver Maßnahmen angeht. Politologe Funke etwa sieht mit Blick auf jüngste Verbote - unter anderem des rechtsextremen Magazins Compact - „bedenkliche autoritäre Tendenzen“ und sagt: „Man bemerkt auch einen Gegeneffekt, dass die von Verboten betroffenen Personen erst Recht weitermachen und sich in ihrem Tun noch bestätigt sehen.“ Im aktuellen „Spiegel“ sagte der Siegener Politikwissenschaftler Philip Manow zur wehrhaften Demokratie: „Momentan sehen wir, dass dieses Instrumentarium nicht recht funktioniert. Es könnte sogar sein, dass es ein Katalysator der Radikalisierung ist.“

(mit dpa)