Trend auf TikTok Warum der Hype um das Jugendwort „Talahon“ bedenklich ist
Meinung | Berlin · Es ist ein seltsamer Hype, den es derzeit um das angebliche Jugendwort "Talahon" gibt. Nicht nur klingt es für alle, die Arabisch verstehen, nach völligem Quatsch. Es verharmlost auch eine Entwicklung, die bedenklich ist.
Seit wenigen Wochen geistert das Wort „Talahon“ durch die Presse. Es soll sich um ein Jugendwort handeln, das junge Männer meist arabischer Herkunft beschreibt, die sich als Möchtegern-Gangster in den Innenstädten herumtreiben und Fake-Luxustaschen tragen. Als Beleg für den vermeintlichen „Talahon“-Trend werden einige auf TikTok aktive Protagonisten genommen.
Wer auch nur ein wenig Arabisch versteht, hat beim Begriff „Talahon“ den Eindruck, dass bei der Übersetzung etwas furchtbar schiefgelaufen ist - und am Ende nur noch Quatsch übrigbleibt. Denn auf Arabisch heißt die Aufforderung „ta’aala hon“ schlicht „komm her“. Wir sprechen also von den „Komm-Hers“, die in den Innenstädten abhängen. Jüngst hat der Langenscheidt-Verlag auf der Suche nach dem Jugendwort 2024 „Talahon“ in die Top Ten der Begriffe aufgenommen, die bis September bei der Online-Abstimmung zur Auswahl stehen.
Vielleicht muss man Teenager sein, um diesen seltsamen Hype, die oberflächliche Begeisterung, zu verstehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Wörter, die in Deutschland ganz anders ankamen, als sie ursprünglich intendiert waren. So soll etwa das Wort Ziffer auf das arabische Sifr zurückgehen, was heute übersetzt Null heißt. Beim Admiral sagt man, der Begriff stamme vom arabischen „Amir al-Rahl“, dem Befehlshaber der Flotte - wobei man die letzte Silbe wohl verschluckt hat. Solche Wandlungen passierten allerdings zu analogen Zeiten und dauerten oft Jahrhunderte.
Betrachtet man indes die Gruppe, die unter das Wort „Talahon“ fallen soll und das Verhalten dieser Personen, erkennt man einen Typ Jugendlicher, der auch in arabischen Ländern häufig Ärger macht. Denn letztlich werden perspektivlose junge Männer beschrieben, die keine Chance oder nicht den Willen haben, sich eine gute Zukunft aufzubauen. Auf der Suche nach Gemeinschaft und Halt landen sie vielleicht in Moscheen, die einen radikalen Islam predigen. Geht alles schief, schließen sie sich dschihadistischen Gruppen an – wie es bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schon der Fall war.
Schaut man in der Geschichte noch etwas weiter zurück, auf den algerischen Bürgerkrieg Anfang der 1990er Jahre, stößt man auf die sogenannten Hittistes. Es handelt sich hierbei um eine arabisch-französische Wortschöpfung. Beschrieben wurden damit junge Männer auf den Straßen des nordafrikanischen Landes, Analphabeten in zwei Sprachen (Französisch und Arabisch), die sich in großer Zahl den radikalsten islamistischen Gruppen anschlossen und Massaker verübten. Der Ausdruck leitet sich von dem arabischen Wort für Wand ab, an die sich die perspektivlosen Jugendlichen tagein tagaus gelangweilt anlehnten.
Nun ist es leider häufig so, dass in bestimmten Kreisen in Deutschland über Begebenheiten in der arabisch-islamischen Welt belustigt oder verharmlosend gesprochen wird, obwohl es sich dabei oft um unendlich traurige und manchmal verstörende Entwicklungen handelt. Auch der Hype um den Begriff „Talahon“ ist insofern bedenklich.