Werbung als Straftat Wahlplakate vor Gericht

Berlin · Sie sollen informieren, Sympathie schaffen und Zustimmung bringen. Doch Wahlplakate provozieren, polarisieren und stacheln auch zum Hass auf. Und manche verschleiern auch ihre Herkunft. Die Justiz bekommt gerade viel zu tun.

Das umstrittene Plakat der Partei „III. Weg“ über einem Plakat der Grünen, aufgenommen am Mittwoch in Zwickau.

Das umstrittene Plakat der Partei „III. Weg“ über einem Plakat der Grünen, aufgenommen am Mittwoch in Zwickau.

Foto: dpa/Bodo Schackow

Als Satire kaum erkennbare Mordaufrufe, verdeckte Wahlhilfe und eine Unterstützung durch Verunglimpfung der Gegner - wie Manipulationen, Gesetzesverstöße und Grenzüberschreitungen auf Plakaten aussehen können, das lässt sich in der Schlussphase des Wahlkampfes gleich an mehreren schlagzeilenträchtigen Ereignissen und Entdeckungen beobachten.

Vor allem der plakative Aufruf „Hängt die Grünen“ der rechtsextremistischen Splitterpartei „III. Weg“ erhitzt die Gemüter. In Bayern hängte die Polizei die Plakate überall umgehend ab, wo sie auftauchten. Sie folgte einer eindeutigen Anweisung des bayerischen Polizeipräsidiums, das nach einer juristischen Prüfung in den Plakaten den Anfangsverdacht des Aufrufs zu einer Straftat sah. Anders dagegen in Zwickau: Hier stoppte das Verwaltungsgericht Chemnitz die örtlichen Ordnungsbehörden bei dem Versuch, die Hetzplakate von den Bäumen und Straßenlaternen wegzubekommen.

Die Verwaltungsrichter sahen im Abhängen der Wahlwerbung einen unzulässigen Eingriff in die besonders geschützte Meinungsfreiheit, weil es sich nicht zweifelsfrei um einen Mordaufruf handele. Sie bezogen sich damit auf die unter den drei großen Wörtern klein gedruckte Ergänzung „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt.“ Vorerst blieb es das Geheimnis des Chemnitzer Gerichtes, wie plausibel es sein kann, eine sich an die eigenen Parteimitglieder richtende interne Regieanweisung zum Aufhängen von anderen grünen Plakaten als plakativen Mordaufruf an den Grünen zu gestalten und zu veröffentlichen.

Sowohl die Stadtverwaltung als auch der „III. Weg“ riefen die nächste Instanz an. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen will voraussichtlich Anfang der nächsten Woche darüber entscheiden. Die Stadt will die Plakate wegbekommen, die Partei geht gegen die Auflage vor, ihre Aufrufe nur noch hundert Meter von Plakaten der Grünen aufzuhängen. Die Grünen reagierten darauf mit dem Kleben von noch mehr Plakaten, um den Spielraum für „III.-Weg“-Werbung einzuschränken und druckten ihrerseits den Slogan „Dieses Plakat hält die umliegenden 100 M nazifrei“.

Schon in einer frühen Phase des Wahlkampfes waren die Grünen in vielen Städten mit verunglimpfenden Plakaten konfrontiert worden, die mit dem Hinweis „Grüner Mist“ Grünen-Plakate imitierten und mit Stichworten wie „Ökodiktatur“ oder „Gesinnungsterror“ Verwirrung zu stiften versuchten. Dahinter steckte die Firma eines PR-Experten, der auch in früheren Jahren bereits mit dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ und mit teuren Wahlkampagnen zugunsten der AfD aufgefallen war.

Zu derartigen zurückliegenden Plakatkampagnen hat ein Recheverbund verschiedener Medien nun neue Erkenntnisse zutage gefördert, wonach die AfD entgegen eigenen Angaben in die Koordinierung dieser indirekten Unterstützung eingebunden gewesen sein könnte. Die Partei lässt dies anwaltlich entschieden dementieren, doch in den internen Unterlagen der bundesweit auf Außenwerbung spezialisierten Firma Ströer entdeckten Correctiv, Spiegel und Frontal die AfD in diesem Zusammenhang als „Direktkunde“ aufgeführt. Auch die Schweizer PR-Firma Goal AG taucht den Angaben zufolge wiederholt neben der AfD in den internen Unterlagen auf. Sie war bereits in der Vergangenheit mit illegalen AfD-Parteispenden aufgefallen. Den drei Medien liegen darüber hinaus eidesstattlich versicherte Aussagen ehemaliger AfD-Politiker und SMS-Verläufe vor, die angeblich Verabredungen und Treffen zwischen AfD-Wahlstrategen und Mitarbeitern der Firma Ströer belegen.

Die Düsseldorfer Parteienrechtsexpertin Sophie Schönberger sieht darin den Nachweis, dass die Kampagne jedenfalls beim Plakat-Hersteller koordiniert wurde. Es gebe „sehr starke Indizien dafür, dass die AfD da eingebunden war und jedenfalls sehr viel davon wusste.“ Wenn dem so sei, handele es sich um eine illegale Parteispende. Sie forderte die Staatsanwaltschaft und die Bundestagsverwaltung auf, deswegen Ermittlungen aufzunehmen.

„Die Wahlkampfunterstützung durch den Verein beziehungsweise die Goal AG etc. ist seit längerem Gegenstand unserer Beobachtung und auch Prüfung“, erläuterte ein Sprecher der Bundestagsverwaltung auf Anfrage. Ob sich aus den neuen Darstellungen neue Schlussfolgerungen ziehen ließen, werde sich jedoch mutmaßlich erst auf der Grundlage entsprechender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen entscheiden lassen.

In der Vergangenheit hatte die AfD wegen anonym finanzierter Wahlplakate Strafzahlungen in beträchtlicher sechsstelliger Höhe für unvollständige Angaben im Rechenschaftsbericht zahlen müssen. Stellt sich die neue Erkenntnis ebenfalls als stichhaltig dar, geht es angesichts des Umfangs der Plakatwerbung um Millionensummen.

Der Stöer-Konzern hat als erste Konsequenz die Werbung für politische Parteien vollständig gestoppt. Er wehrt sich damit dagegen, in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden und verweist darauf, dass er für die Inhalte nicht verantwortlich sei und auch schon Aufträge von CDU, CSU, SPD, AfD, Grünen, Linken und FDP bekommen habe. Der Konzern regte einen runden Tisch an, um einen Konsens über parteipolitische Werbung zu bekommen.

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