Alles wird teurer Überschuldung wächst - Dispo-Deckel soll Banken bändigen
Exklusiv | Berlin · Immer mehr Menschen rutschen angesichts steigender Preise in den Dispo. Und das wird wegen hoher Kreditzinsen teuer. Im Kampf gegen die wachsende Überschuldung setzen die Länder erneut auf einen Dispo-Deckel. In der Ampel ist man zum Teil skeptisch.
Im Februar kam eine Studie der Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass inzwischen jeder Siebte in Deutschland innerhalb von drei Monaten sein Konto überziehen oder seinen Dispokredit in Anspruch nehmen musste. Wegen der hohen Energie- und Lebensmittelpreise. Doch wer so ins Minus geht, muss dafür meist horrende Zinsen zahlen. Weil sich die Lage für viele Menschen weiter verschärft, wollen die Bundesländer nun einen neuen Anlauf unternehmen, in Deutschland einen Dispo-Deckel einzuführen.
Bereits weit vor der Corona-Pandemie sei „die Situation der häufigen und langfristigen Kontoüberziehung problematisch“ gewesen, heißt es zur Begründung in einem Entschließungsantrag an den Bundesrat, der unserer Redaktion vorliegt und in dem die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert wird. Die Inflation und die Energiekrise hätten die Lage jetzt weiter verschärft. „Darunter leiden vor allem Menschen mit geringem Einkommen, die in der Folge auf Dispositionskredite zurückgreifen müssen.“ Eingebracht hat den Antrag das Land Schleswig-Holstein.
Darin heißt es weiter: Das Ergebnis einer Erhebung aus dem Oktober vergangenen Jahres sei gewesen, dass der durchschnittliche Dispositionszins 10,07 Prozent betragen habe. „Im Vergleich dazu liegt der durchschnittliche Zins von Konsumentenkrediten mit einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren bei 5,37 Prozent.“ Die hohen Zinssätze im Bereich der Dispositionskredite seien daher weder angemessen noch gerechtfertigt. „Eine gesetzliche Begrenzung der Zinsen für Dispositionskredite ist deshalb im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher notwendig“, so die Antragsteller. Gefordert wird überdies, die Kosten für Abhebungen an Geldautomaten gleich mit zu „deckeln“. Die Geldinstitute seien zwar seit 2011 dazu verpflichtet, die Kosten auf dem Bildschirm des Geldautomaten anzuzeigen. Die erhöhte Preistransparenz habe jedoch nicht automatisch zu günstigeren Gebühren geführt.
Die Chancen stehen gut, dass die anderen Länder dem Ansinnen Schleswig-Holsteins folgen werden. Denn erst Ende Juni hatte sich die Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder für einen Deckel ausgesprochen. In dem Beschluss der Minister heißt es mit Blick auf die Banken: „Appelle zur freiwilligen Selbstverpflichtung und Mäßigung sind weitgehend ergebnislos geblieben.“ Die Überschuldung nehme zu. Die Bundesregierung müsse daher die Einführung „einer gesetzlichen Zinsobergrenze für Dispositions- und Überziehungskredite im Bereich von fünf Prozentpunkten bis maximal acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz prüfen“.
In der Ampel-Koalition stößt die Forderung freilich auf ein unterschiedliches Echo. FDP-Verbraucherexpertin Katharina Willkomm erteilte dem Vorstoß eine Absage: „Ein staatlicher Zinsdeckel auf Dispo-Kredite hilft Verbrauchern in Geldnot nicht.“ So führe der Weg aus der Schuldenfalle nicht über mehr Kredit-Regulierung, „sondern über gezielte Hilfsangebote bei finanzieller Überforderung“, sagte Willkomm unserer Redaktion. Nutzten Verbraucher den Dispo so, wie gedacht, „als kurzfristigen Liquiditäts-Booster, dann bleiben auch bei hohen Zinsen die Kosten überschaubar“. Demgegenüber betonte der Grüne Finanz- und Verbraucherexperte Stefan Schmidt, bei überhöhten Dispozinsen müsse gegengesteuert werden. „Es darf nicht sein, dass manche Banken bis zu 14 Prozent Dispozins verlangen - das trifft finanzschwächere Haushalte ganz besonders und führt nicht selten in eine Schuldenspirale“, so Schmidt auf Nachfrage.
Der Vorstoß setze ein wichtiges Signal, betonte auch Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU). „Auch Banken haben in Zeiten galoppierender Inflation eine große Verantwortung. Ein Maßhalten bei den Dispozinsen kann vielen Verbrauchern zumindest vorübergehend finanziell etwas Luft verschaffen“, so Bilger zu unserer Redaktion. Wenn mit der Initiative effektivere Lösungen gefunden würden, sei das zu begrüßen. Der Antrag soll nun zunächst in den Bundesrats-Ausschüssen beraten werden.