Designierte Kommissionspräsidentin Von der Leyen steht ein heißer Herbst bevor

Straßburg · (dr) Die Gewinnerin des Wahlkrimis von Straßburg war am Mittwochmorgen schon längst nach Berlin geflogen, da setzte im Europäischen Parlament das Wundenlecken ein. Denn die hauchdünne Mehrheit von gerade mal neun Stimme über der erforderlichen Mehrheit, die Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrer Wahl zur neuen Kommissionspräsidentin erhalten hatte, schockierte viele – auch in den Reihen der Christdemokraten selbst.

„Es gab etliche Abweichler“, hieß es aus der Führungsriege der Europäischen Volkspartei (EVP). „Die Wut über den Umgang mit unserem Spitzenkandidaten Manfred Weber sitzt tief.“

Bei den Sozialdemokraten bemühte sich Fraktionschefin Iratxe García darum, die Reihen zu schließen. Etwa ein Drittel ihrer Fraktion hatten sich gegen die CDU-Politikerin ausgesprochen. „Wir haben beschlossen, dass jetzt der Moment ist, sich verantwortungsvoll zu verhalten“, erklärte García.

Die ersten Regierungen der Mitgliedstaaten haben bereits ihre Kandidaten für die künftige Kommission benannt – obwohl die neue Präsidentin noch nicht einmal weiß, ob sie die bisherige Struktur dieser Behörde von ihrem noch amtierenden Vorgänger Jean-Claude Juncker übernimmt. Dennoch zeichnen sich einige Schwerpunkte bereits ab: Der Niederländer Frans Timmermans, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl, wird erster Vizepräsident. Margrethe Vestager, die derzeitige Wettbewerbskommissarin aus Dänemark, soll Timmermans gleichgestellt sein und eine „herausragende Position“ bekommen. Deutschland entsendet keinen Kommissar, da es die Präsidentin stellt.

Der Zeitplan ist ehrgeizig: Bis Mitte Oktober sollen alle 27 Bewerber die vierstündigen Befragungen durch die Parlamentarier absolvieren. Dann könnte das gesamte Kollegium Ende Oktober von den Abgeordneten bestätigt werden – und fristgerecht am 1. November die Arbeit aufnehmen. Es gibt in Brüssel und Straßburg allerdings kaum jemanden, der das für realistisch hält. Die Bereitschaft der Abgeordneten, den einen oder anderen Kandidaten abzulehnen, ist groß – vor allem will man sich gegen Rechtspopulisten aus Italien, Polen und Ungarn wehren. Nach einer Ablehnung muss die Regierung des betroffenen Landes Ersatz schicken – das Anhörungsritual beginnt von vorne. So etwas dauert. Die Juncker-Kommission konnte nach der Europawahl im Mai 2014 erst am 1. Februar 2015 ihre Tätigkeit aufnehmen.

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