„Von der Leyen irritiert Öffentlichkeit und Parlament“

SPD-Wehrexperte Arnold kritisiert Pläne für neue Bundeswehreinsätze

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant neue Bundeswehreinsätze im Irak und in der Ostukraine - trotz Pleiten, Pech und Pannen bei Ausrüstung und Material. Der Koalitionspartner SPD kritisiert das Vorhaben scharf. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte beim verteidigungspolitischen Sprecher der Partei, Rainer Arnold, nach.Herr Arnold, kann das gut gehen, was der Verteidigungsministerin da vorschwebt? Arnold: Nein. Neben allen Problemen bei der Einsatzfähigkeit der Waffensysteme hat die Bundeswehr das strukturelle Problem der Durchhaltefähigkeit des Personals. Die Soldaten im Einsatz sind schon jetzt an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Im Kern ist die Bundeswehr für große und zeitlich getrennte Einsätze gerüstet. Weil aber immer mehr kleinere Einsätze parallel stattfinden, brauchen wir eine andere Struktur insbesondere bei den Transportkapazitäten, der Kommunikation sowie der medizinischen Versorgung.

Und das vernachlässigt von der Leyen? Arnold: Bis zum heutigen Tag ist die Bundeswehrreform ihres Amtsvorgängers Thomas de Maizière nicht entschieden genug nachjustiert worden. Ich gehe aber davon aus, dass für Ursula von der Leyen nichts lehrreicher ist als die Wirklichkeit und in den nächsten Wochen über entsprechende Korrekturen entschieden wird.

Offenbar haben Sie die Ankündigungen der Ministerin überrascht. Arnold: Ich war überrascht und ich kann es auch nicht verstehen. Das gilt vor allem für ihren Plan, Drohnen mit einer bewaffneten Schutzkomponente für die Überwachung der Waffenruhe in der Ostukraine einzusetzen. Das ist weit weg vom aktuellen Stand.

Warum? Arnold: Die OSZE, unter deren Dach das passieren müsste, hat bislang noch nie Einsätze mit einer robusten bewaffneten Truppe geschützt. Dafür bräuchte die OSZE die Einwilligung Russlands. Und prompt hat sich auch die Ukraine selbst gegen eine bewaffnete OSZE-Beobachtermission ausgesprochen. Ich habe den Eindruck, hier ist die Ministerin vorgeprescht, ohne internationale Abstimmung und ohne die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen.

Was müsste konkret geprüft werden? Arnold: Es müsste zunächst geklärt werden, ob die OSZE ein Bündnis ist, wie es das Bundesverfassungsgericht für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte verlangt. Diese Frage ist offen. Außerdem ist die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung noch längst nicht abgeschlossen.

In der Bundesregierung herrscht offenbar Einigkeit, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen muss. Arnold: Mehr Verantwortung kann nicht heißen, sich nur auf militärische Aspekte zu fokusieren. Mehr Verantwortung schließt auch die diplomatische und zivile Komponente ein. Mehr Verantwortung übernimmt man jedenfalls nicht dadurch, dass man bei Themen, die noch gar nicht spruchreif sind, das Parlament und die Öffentlichkeit irritiert.

Was halten Sie von den Plänen von der Leyens, sich auch im Irak stärker militärisch zu engagieren? Arnold: Der Bundestag wird das kritisch beobachten. Wir wollen nicht, dass in einer Art Salamitaktik immer neue Anforderungen für die Bundeswehr im Irak beschlossen werden müssen. Zunächst einmal sollte man die laufende Unterstützung, also Waffenlieferungen und die militärische Ausbildung von Kurden, auf ihre Wirksamkeit hin auswerten, bevor man mit neuen Ideen kommt.

Täuscht der Eindruck, dass die SPD in der Rüstungs- und Verteidigungspolitik der Opposition näher steht als ihrem Koalitionspartner, der Union? Arnold: Die Union tut sich zweifellos schwer darin, zu erkennen, dass ihre beiden Verteidigungsminister in der schwarz-gelben Vorgänger-Regierung gravierende Fehler gemacht haben. Es geht nicht darum, der Opposition das Wort zu reden. Wenn Ursula von der Leyen die notwendigen Korrekturen einleitet, hat sie unsere volle Unterstützung.

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