Verteidigungsminister Boris Pistoirus auf Indo-Pazifik-Tournee Auf der Suche nach neuen Allianzen

SINGAPUR · Station eins der Asien-Pazifik-Reise von Boris Pistorius. Der deutsche Verteidigungsminister nimmt am Shangri-La-Dialog in Singapur, dem indo-pazifischen Gegenstück der Münchner Sicherheitskonferenz, teil. Deutschland und Europa werben um Partnerschaft mit einer der wichtigsten Regionen für Welthandel und Sicherheit auf den Weltmeeren

Verteidigungsminister Boris Pistorius besucht zum Auftakt seines Besuchs in Singapur eine Behörde für die maritime Sicherheit und ein Zentrum für Katastrophenschutz in der von Seebeben gefährdeten Region

Verteidigungsminister Boris Pistorius besucht zum Auftakt seines Besuchs in Singapur eine Behörde für die maritime Sicherheit und ein Zentrum für Katastrophenschutz in der von Seebeben gefährdeten Region

Foto: dpa/Britta Pedersen

SINGAPUR. Die Nacht im Flugzeug ist vorbei. 13 Stunden non stop. Boris Pistorius ist jetzt fast am anderen Ende der Welt. Tags zuvor war er noch beim Amt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln, weil die Truppe Nachwuchs und Fachkräfte braucht, dringend. Aber jetzt steht der deutsche Verteidigungsminister mittendrin in der Finanz- und Wirtschaftsmetropole Singapur, Stadtstaat am südlichen Zipfel von Malaysia. 29 Grad, Luftfeuchtigkeit 80 Prozent, eine schweißtreibende Mission. Da muss der Gast aus Deutschland durch – auch noch an einem der höchsten religiösen Feiertage in Singapur. Die Menschen feiern den Vesakh-Tag, Buddhas Geburtstag -- und Erleuchtung. Wenn es nur dem Weltfrieden hilft.

Pistorius reist für acht Tage durch den indo-pazifischen Raum. Erst Singapur, dann Indonesien und schließlich noch zwei Tage bei der Atommacht Indien. Das ist gemessen am randvollen Terminkalender eines deutschen Verteidigungsministers in Zeiten von Krieg mitten in Europa sehr viel Aufmerksamkeit, die er einer anderen Weltregion widmet. Der SPD-Politiker ist Teilnehmer und Redner beim sogenannten Shangri-La-Dialog in Singapur, dem asiatisch-pazifischen Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz, benannt nach dem Hotel, in dem die Veranstaltung abgehalten wird. Mehrere Bundestagsabgeordnete sind angereist. Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, betont die Bedeutung der Region für Europa und für Deutschland, das sein Engagement im Indo-Pazifik weiter ausbaue. „Denn unsere Sicherheit in Deutschland und Europa hängt immer stärker auch mit den Entwicklungen im Indo-Pazifik zusammen. Wir müssen ungesunde einseitige Abhängigkeiten reduzieren und unsere Partnerschaften mit Ländern stärken, die sich wie wir für die Geltung des Völkerrechts einsetzen – viele davon liegen in Süd- und Südostasien“, erklärt Lindner.

Pistorius wird später nach einem Besuch bei der Marine und beim Katastrophenschutz in der von Seebeben gefährdeten Region ähnlich argumentieren. „Wir in Deutschland brauchen ein höheres Bewusstsein für Katastrophenschutz“, sagt der Verteidigungsminister über das ausgefeilte Frühwarnsystem in Singapur und der Region. Pistorius hat dabei bestimmt nicht an den Ampel-Streit Zuhause in Deutschland über das Heizungsgesetz und die Energiewende gedacht.

Als 2018 mit Ursula von der Leyen zuletzt eine deutsche Verteidigungsministerin bei dieser bedeutendsten sicherheitspolitischen Konferenz im Indo-Pazifik auftrat, gab es noch keine Pandemie und noch keinen Krieg in der Ukraine. Die Welt war eine andere. Aber nun ist Pistorius gekommen, um auch hier die deutsche Zeitenwende zu erklären und neue Allianzen zu suchen. Der deutsche Verteidigungsminister will hier „Flagge zeigen“ im Indo-Pazifik, wo mit der Straße von Malakka einer der wichtigsten Wasserwege liegt, über die ein beträchtlicher Teil der auf dem Weltmarkt gehandelten Güter und Rohstoffe transportiert wird. Pistorius sagt auch deshalb: „Ich glaube, dass wir gut beraten sind, diese Region nicht aus den Augen zu verlieren beziehungsweise sie wieder in den Fokus zu nehmen.“ Deutschland habe erst im vergangenen Jahr seine Indo-Pazifik-Strategie verabschiedet und betone dabei die bedeutende Rolle der Region für den Welthandel und die Sicherheit internationaler Seewege. Der Indo-Pazifik sei eine zentrale Region, „wenn wir auf Sicherheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert schauen“. Das Südchinesische Meer und die Straße von Malakka seien bedeutend für die internationale Seeschifffahrt: „Wenn die nicht frei sind, wenn die blockiert sind, wenn die gefährdet sind, durch was und wen auch immer, dann gibt es Probleme überall auf der Welt, die erheblich sein können.“

Pistorius dürfte zu diesem Zeitpunkt die Nachricht erhalten haben, dass der chinesische Verteidigungsminister General Li Shangfu bereits beim Eintreffen zum Shangri-La-Dialog in Singapur mit Blick auf den Konflikt zwischen China und dem Inselstaat Taiwan wieder eine Drohkulisse an die Wand gemalt hat. „Wir werden niemals versprechen, von dem Einsatz von Gewalt abzusehen.“ China strebe eine friedliche Wiedervereinigung mit dem Inselstaat an, werde aber nicht zulassen, dass die in Taipeh regierende Fortschrittspartei die Unabhängigkeit anstrebe. „China muss vereint werden“, sagt der General im Ministeramt. Li Shangfu soll an diesem Samstag beim Shangri-La-Dialog einen Ministerkollegen treffen, der ihm davon erzählen könnte, wie Wiedervereinigung im eigenen Land tatsächlich friedlich funktionieren könnte: Boris Pistorius, Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Denn Frieden ist manchmal ganz nah am Wasser gebaut: in der Straße von Taiwan.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort