Verkehrsminister will billigere Tickets im Fernverkehr Damit mehr Leute auf die Bahn umsteigen

Berlin/Saarbrücken/Trier · Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will Zugfahren attraktiver machen. Der Staat soll bei Fernverkehrs-Tickets auf Steuern verzichten.

 Damit künftig mehr Menschen mit der Bahn reisen, will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Tickets im Fernverkehr billiger machen – mit einer Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent.

Damit künftig mehr Menschen mit der Bahn reisen, will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Tickets im Fernverkehr billiger machen – mit einer Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent.

Foto: dpa-tmn/Mascha Brichta

Wer am Mittwoch kurzentschlossen um 14.59 Uhr mit dem ICE von Saarbrücken nach Berlin fahren wollte, musste in der zweiten Klasse mindestens 153 Euro für sein Ticket zahlen. Ebenfalls 153 Euro kostete die billigste Fahrkarte für den Zug um 14.31 Uhr vom Trierer Hauptbahnhof in die Hauptstadt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will das ändern und Bahnfahren mit ICE, Intercity und Eurocity günstiger machen. Der CSU-Politiker schlägt vor, auf Fernzugtickets weniger Steuern zu erheben. Um die Schiene „noch attraktiver zu machen, brauchen wir auch im Fernverkehr der Bahn die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Tickets von 19 auf sieben Prozent“, sagte er der Bild-Zeitung.

Das Ticket von Saarbrücken oder Trier nach Berlin hätte dann am Mittwochnachmittag 137,57 statt 153 Euro gekostet und wäre damit mehr als 15 Euro billiger gewesen. Über eine Steuersenkung, die Umweltschützer schon seit Jahren verlangen, soll nun in der Bundesregierung diskutiert werden – Details sind aber völlig offen.

Im Nahverkehr gilt bereits die vergünstigte Mehrwertsteuer. Das Bundesfinanzministerium zeigte sich grundsätzlich offen für die Debatte. Ob der Rabatt auf den Fernverkehr kommt und wie der Zeitplan aussehen könnte, blieb am Mittwoch aber zunächst unklar. Offen war auch, ob und wie die Mindereinnahmen des Staates ausgeglichen werden und wie viele Treibhausgase damit eingespart werden sollen.

Scheuer sagte, Bahnfahrer könnten so um bis zu 400 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. „Wem es mit dem Klimaschutz und dem Umstieg von Auto oder Flugzeug auf die Bahn ernst ist, der muss bei der Steuer ansetzen.“ Eine Sprecherin von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, das sei „einer von vielen Vorschlägen“. Wie viel der Staat derzeit über Bahntickets einnehme, lasse sich nicht sagen.

Ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte den Vorschlag. Allerdings brauche es ein Gesamtkonzept, damit die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht würden. Es bedürfte „sicherlich einiger Beratung“ dazu, wie alles zusammenpasse. Die Vorsitzende der Konferenz der Länder-Verkehrsminister, die saarländische Ressortchefin Anke Rehlinger (SPD), sagte, sie fordere schon seit langem, die Mehrwertsteuer auf Fernbahntickets zu senken: „Daher kann ich den Sinneswandel bei Herrn Scheuer nur begrüßen.“ Der Bundesverkehrsminister dürfe sich nun aber „um Finanzierungsfragen nicht drücken und diese einfach an andere Ressorts abdrücken“. Für attraktive Angebote auch im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) müsse der Bund „deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit der ÖPNV bundesweit einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann“.

Eine weitere Beispielrechnung zu Scheuers Plan: Wer für 94,40 Euro mit einem „Super Sparpreis“ und Bahncard 25 von Berlin nach Stuttgart fährt, zahlt mit seinem Ticket derzeit 15,07 Euro Mehrwertsteuer. Fielen nur sieben Prozent Steuer an, würden stattdessen nur 5,55 Euro fällig – dann könnte das Ticket also fast zehn Euro weniger kosten.

Bei Verbraucherschützern kam die Idee denn auch gut an. Allerdings müsse die Bahn eine Steuersenkung auch an die Kunden weitergeben – oder das Geld in den Netzausbau stecken, hieß es beim Fahrgastverband Pro Bahn. Günstigere Preise hätten aber Priorität. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) verlangte im Handelsblatt, dem Vorschlag müssten nun aber auch schnell Taten folgen.

Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist für die Steuersenkung. „Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind immer noch zu Lasten der Schiene verzerrt“, sagte der Vorsitzende Alexander Kirchner.

Großes Ziel ist, mehr Menschen zum Umsteigen auf die Schiene zu bringen – auch zum Schutz des Klimas. Scheuer will die „wichtige Schwelle“ von 150 Millionen Fahrgästen im Fernverkehr erreichen – im vergangenen Jahr waren es schon 148 Millionen. Der Minister argumentierte, statt Verboten, Tempolimits oder teurerer Mobilität müssten Bahnverbindungen noch attraktiver werden. Auf der ICE-Strecke Berlin-München hätten sich die Fahrgastzahlen verdoppelt. „Wir haben auf dieser Strecke schon 30 Prozent der Passagiere vom Inlandsflug zum Umstieg auf die Schiene bekommen“, sagte der Verkehrsminister.

Auch bei Bahnkonkurrenten weckte der Vorschlag Begehrlichkeiten: Das Münchener Unternehmen Flixmobility, das unter dem Namen Flixbus Fernbusfahrten anbietet, hält Scheuers Beitrag für einen sehr guten Vorschlag, wie der Chef André Schwämmlein der Wirtschaftswoche sagte. Allerdings müssten die Verkehrsträger Fernbus und Fernzug gleichermaßen gefördert werden. Auch der ADAC forderte dies.

Die Forderung nach Senkung der Mehrwertsteuer auf Fernzugtickets ist viele Jahre alt. Zum Beispiel hatten sich in der Vergangenheit die Grünen dafür eingesetzt. Scheuer solle das nicht nur in Aussicht stellen, sondern auch umsetzen, forderte deren Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, in der Rheinischen Post.

 Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat für seinen Vorschlag viele Befürworter gefunden.   Foto: Kappeler/dpa

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat für seinen Vorschlag viele Befürworter gefunden. Foto: Kappeler/dpa

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die SPD im Bundestag begrüßte den Vorschlag grundsätzlich. „Eine einzelne Idee ergibt jedoch noch kein schlüssiges Gesamtkonzept“, sagte Fraktionsvize Sören Bartol. „Was helfen günstigere Preise, wenn die Züge trotzdem überfüllt und unpünktlich sind?“ Der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst nannte eine Steuersenkung einen „Baustein“ für eine attraktivere Bahn. Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit seien aber die größte Baustelle.

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