Verfassungsschutzbericht „Alarmzustand“ für die Sicherheit

Meinung · Ob links, rechts oder islamistisch - jeder Extremismus ist gefährlich für die freiheitliche Demokratie. Falsche Frontstellungen von der Mitte bis zum politischen Rand sind aber keine Lösung, sondern vergrößern das Problem. Eine Einschätzung zum jüngsten Verfassungsschutzbericht.

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofer bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am Dienstag in Berlin.

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofer bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am Dienstag in Berlin.

Foto: AP/Michael Sohn

Es war Horst Seehofers letzter Verfassungsschutzbericht. Nach den Bundestagswahlen werden für ihn drei Jahrzehnte in der ersten Reihe der Politik zu Ende gehen. Einer wie er denkt in diesen Wochen auch, mit welchen Begriffen er in Erinnerung bleiben will. Wenn er als Zusammenfassung der Sicherheitslage von „Alarmzustand“ spricht, ist das mehr als ein Augenblicksbefund.

Er lässt auch erkennen, welchen Eindruck ein Bundesinnenminister in den letzten Jahren angesichts vielfältiger ungefilterter Informationen von den Sicherheitsbehörden gewonnen hat. Sein Vorgänger Thomas de Maizière machte noch die Andeutung, dass alle verunsichert wären, wenn er alles sagen würde. Seinerzeit war das bezogen auf den islamistischen Terrorismus. Dieser ist nur aus den Schlagzeilen verschwunden, nicht aus der realen Bedrohung.

Und darin liegt die eigentliche Gefahr einer Wahrnehmungsfalle dieser Gesellschaft. Sie ist so weit polarisiert, dass die einen vor den 33.000 Rechtsextremisten warnen, die anderen vor den 34.000 Linksextremisten und die dritten vor 29.000 Islamisten. Die einen verweisen darauf, dass ganz rechts mehr Gewaltbereitschaft ist und die „größte Bedrohung“ für die freiheitliche Demokratie bestehe, die anderen warnen vor der immens gestiegenen Gewalt von ganz links, die ungehemmt in den Linksterrorismus führen kann. Und die dritten sehen eine Bedrohung der westlichen Werte durch den radikalisierten politischen Islam.

Das kollektive Verschließen des einen oder des anderen Auges führt zu einem nachhaltigen Erkenntnisdefizit. Natürlich ist es richtig, gegen den Rechtsextremismus vorzugehen, aber es ist töricht, dabei eine gemeinsame antifaschistische Front von der Mitte bis ganz weit links außen zu bilden. Damit wird letztlich dazu ermutigt, auch Gewalt in der politischen Auseinandersetzung zu legitimieren, zumindest aber, den Gewaltbereiten das Gefühl zu geben, im Zweifel Rückhalt zu finden. Nicht minder gefährlich ist der Schulterschluss zwischen Konservativen, sehr Rechten und Rechtsextremisten. Der typische konservative Wutbürger darf nicht als bloß naiv durchkommen, wenn er gleichgültig mit jenen marschiert, die nicht nur Patriotisches, sondern auch Nationalsozialistisches im Kopf haben.

Es ist die unscharfe bis völlig fehlende Grenzziehung zu den Extremisten auf dem rechten, linken und religiösen Feld, die sich immer mehr als die eigentliche Gefährdung der freiheitlichen Demokratie herausstellt. „Der Feind steht rechts?“ Ja. Aber das heißt nicht, dass der Freund automatisch links steht. Schauen wir lieber in die Mitte. Je weiter weg von den Islamisten und Extremisten, desto verlässlicher für die Demokratie.

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