Rechtsextremismus Ein Verbot mit Vorwarnung

Berlin · Innenminister Seehofer hat die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“ aufgelöst. Gibt es auch Verbindungen zum Fall Lübcke?

Egal ob es um radikale Salafisten oder Neonazis geht –  wenn eine extremistische Vereinigung verboten wird, kommt das für ihre Mitglieder meist überraschend. Auch damit die Extremisten nicht vorher alle Telefonlisten, Pamphlete, Waffen oder anderes Material vernichten oder verstecken können. Material, das nicht nur strafrechtlich relevant sein könnte, sondern auch bei einer möglichen Klage gegen das Verbot vorgelegt werden kann. Bei „Combat 18“ ist es jetzt ganz anders gelaufen. Den Durchsuchungen ging eine monatelange Debatte voraus, in der alle Parteien – von der Linken bis zur AfD – ein Verbot der Gruppe forderten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die rechtsextremistische Gruppe „Combat 18“ am Donnerstag verboten. Polizisten durchsuchten Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der Gruppe in sechs Bundesländern, darunter auch im rheinland-pfälzischen Saarburg.

Seehofer hatte im vergangenen Jahr – wohl auch unter dem Eindruck von zwei tödlichen rechtsterroristischen Attacken – die Prüfung von Verbotsverfügungen gegen sechs rechtsextremistische Gruppen angekündigt. Dass „Combat 18“ eine davon sein würde, galt als wahrscheinlich. Denn die Gruppe ist zwar nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland nicht sonderlich groß – von nur 20 „Vollmitgliedern“ und „Unterstützern“ ist die Rede. Ihr Einfluss sei aber auf der Propaganda-Ebene nicht zu unterschätzen, heißt es.

Umso erstaunlicher, dass trotz der breiten politischen Debatte über die Gefährlichkeit von „Combat 18“ (Codewort für Kampftruppe Adolf Hitler, 18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets,  A und H) bei mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe jetzt dennoch belastendes Material gefunden wurde. Eine endgültige Auswertung der Razzien steht zwar noch aus. Gefunden wurden aber nach ersten Erkenntnissen unter anderem Schlagwaffen und Symbole mit Bezug zur Nazi-Zeit. Widerstand leistete bei den Durchsuchungen nach Angaben aus Sicherheitskreisen keiner der mutmaßlichen Neonazis.

Sieben Männern wurde die Verbotsverfügung des Innenministeriums am Morgen ausgehändigt. Die meisten von ihnen trafen die Thüringer Polizisten zu Hause an. Stanley R., der als Rädelsführer gilt, war den Angaben zufolge bei der Arbeit – in einem landwirtschaftlichen Betrieb.

Ein zweites mutmaßliches Mitglied der Gruppe lebt nach dpa-Informationen in Castrop-Rauxel. Der Mann, der Vorstrafen und eine lange Neonazi-Vergangenheit haben soll, wird hinter einem Video der Gruppe vom Juni 2019 vermutet.

Das Bundesinnenministerium betont zwar, Hinweise darauf, dass es sich bei „Combat 18 Deutschland“ um den „bewaffneten Arm“ der hierzulande verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ – ein internationales rechtsextremes Netzwerk – handelt, gebe es nicht. Andere Beobachter der rechten Szene schätzen das anders ein.  Herausfinden und benennen müssen die Behörden noch, ob es womöglich Verbindungen zwischen dem mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und „Combat 18“ gibt. Die Gruppe selbst bestreitet das in ihrem als „Klarstellung“ bezeichneten Video vom Juni.

Querverbindungen gibt es nach Medienberichten zwischen „Combat 18“ und dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Die Terrorgruppe hatte zwischen 2000 und 2007 acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin getötet. Ein führendes „Combat 18“-Mitglied soll, während es eine Gefängnisstrafe absaß, Briefkontakt zu NSU-Mitglied Beate Zschäpe gehabt haben. Sie war im Juli 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Name von Stephan E., der dringend verdächtigt wird, Lübcke mit einem Kopfschuss getötet zu haben, war mehrmals im Untersuchungsausschuss zum NSU im hessischen Parlament gefallen.

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