Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther „Derzeit gehe ich davon aus, dass wir Hotels in Schleswig-Holstein über Ostern öffnen“

Interview | Berlin · Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist einer derjenigen, der ein vorsichtiges Ende des Lockdowns für vertretbar hält. Man könne die Pandemie nicht gegen den Bürger besiegen, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Und macht Hoffnung.

 Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) setzt auf einen Urlaub an Ostern. Foto: Christian Charisius/dpa

 Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) setzt auf einen Urlaub an Ostern. Foto: Christian Charisius/dpa

Foto: dpa/Christian Charisius

Herr Günther, nach der Ministerpräsidentenkonferenz ist bereits wieder vor der nächsten MPK. Wie ist ihr Blick auf die Sitzungen? Verlieren da zu viele zu schnell die Nerven?

Günther Ich bin mit dem Ergebnis der letzten Sitzung zufrieden, da haben wir in der Vergangenheit schon weniger abgeliefert. Wir haben jetzt einen Stufenplan beschlossen, der den Menschen Perspektiven gibt. Und wir haben in diesen Plan eine Bremse eingebaut, mit der wir auf steigende Zahlen reagieren können. Klar ist nun: Wenn wir bestimmte Ziele erreichen, dann sind Öffnungsschritte möglich. Das haben wir am Mittwoch nach sehr langer Debatte erreicht. Das war eine ganz solide Leistung.

Sie öffnen den Einzelhandel am Montag in Schleswig-Holstein – unter Auflagen -  wieder komplett. Ist das infektionstechnisch vertretbar?

Günther Wir bewegen uns im Rahmen des Beschlusses der MPK. Wir liegen in Schleswig-Holstein stabil unter der 50er-Inzidenz, liegen sogar häufig darunter. Ich halte es für verantwortbar, diesen Schritt zu gehen.

Wie vermeiden Sie Einkaufstourismus aus Nachbarregionen?

Günther Bei den Stufenplänen wird man Unterschiede und einen gewissen Verkehr zwischen den Regionen nicht ganz vermeiden können. Ich setze wie  Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher darauf, dass zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein beim Einkaufen kein Massenverkehr einsetzt - aber mehr Maßnahmen werden wir da auch nicht ergreifen.  In dieser Phase der Pandemie müssen wir mit manchen Unwägbarkeiten rechnen. Ich war immer Anhänger einer Politik, nach der die Pandemie nur mit den Bürgern besiegt wird und nicht gegen sie. Dabei bleibe ich.

50 und 100 sind die neue 35. Obwohl sich eigentlich nichts verändert hat außer dem Wetter. Schwindet da die Autorität der Kanzlerin, ist das ein Resignieren oder ein Sieg der Vernunft?

Günther Ich bin davon überzeugt, dass mit einer fortschreitenden Impfquote und mit einer wachsenden Zahl von Testmöglichkeiten mehr Öffnungsschritte auch bei einer höheren Inzidenz möglich sind. Wir merken jetzt schon, dass wir auch bei höheren Infektionszahlen eine geringere Rate an schweren Verläufen haben als dies noch vor einigen Wochen der Fall war. Wir haben in Schleswig-Holstein die Senioren- und Pflegeheime fast komplett durchgeimpft. In den kommenden Wochen allein auf Inzidenzwerte zu schauen, das greift zu kurz.

Sondern?

Günther Wir sind in einer Übergangszeit, aber die Anzeichen für eine Besserung mehren sich. In Schleswig-Holstein hat sich die Zahl der Covid-Patienten halbiert, die Auslastung der Intensivmedizin sinkt.  Ich sehe dies als ein sicheres Zeichen dafür, dass die Maßnahmen greifen und Öffnungsschritte damit verantwortbar sind. Das werden wir Schritt für Schritt vollziehen.

Dürfen sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen auf Osterferien in Schleswig-Holstein einstellen?

Günther Wir haben in der MPK eine Reisewarnung bis zum 22. März ausgesprochen. Ein großer Teil der Runde hätte diese gerne verlängert. Ich sehe das vollkommen anders. Ich bin zwar sehr dafür, dass man die Bürger dazu aufruft, keine Reisen ins ferne Ausland zu machen. Das war unser Problem während der Herbst- und Weihnachtsferien.  Da haben wir zum Glück jetzt ein etwas strengeres Regelwerk. Aber die Scheu vor innerdeutschem Reiseverkehr kann ich angesichts der derzeit moderaten Inzidenzwerte nicht nachvollziehen. Warum sollen die Menschen an Ostern nicht in Hotels und Ferienwohnungen sein können - unter der Voraussetzung eines aktuellen Negativ-Tests und einer Nachverfolgung über Apps. Im Gegensatz zu Oktober gibt es jetzt genug verfügbare Schnelltests. Lösungen in diesem Bereich zu finden ist auch ein Gebot des Respekts der Branche und den Menschen gegenüber, die dort arbeiten.

Also haben die Hotels an der Förde an Ostern auf?

Günther Wenn sich die Situation nicht dramatisch verändert, gehe ich davon aus, dass wir Hotels in Schleswig-Holstein über Ostern öffnen.

Warum kommt das Impfen so langsam in Gang?

Günther Der beste Zeitpunkt für eine Fehleranalyse wird das Ende der Pandemie sein. Das Thema Impfen nimmt an Tempo zu. Wir haben in Schleswig-Holstein zu Beginn Impfstoff zurückgehalten für die zweite Dosis, weil unklar war, ob ausreichend Impfstoff nachkommt und auch Lieferzusagen nicht immer zuverlässig waren. Jetzt können wir darauf setzen, dass die Menge nicht mehr das Problem ist. Wir tun alles Menschenmögliche, dass es jetzt zügig vorangeht.

Ist das Festhalten an der Impfverordnung richtig?

Günther Die Impfbereitschaft ist zum Glück höher als gedacht, deswegen ist die Verordnung richtig.  Das Verimpfen scheitert derzeit nicht daran, dass sich nicht genug Menschen in der jeweiligen Prioritätsgruppe finden.

Ist Gesundheitsminister Jens Spahn zum Blitzableiter für Corona-Frust geworden oder geht es um gravierende Fehler, die aufzuarbeiten sind?

Günther Ich kenne keinen verantwortlichen Politiker, mich eingeschlossen, der in der Pandemie nicht Fehler gemacht hat. Jens Spahn macht einen wirklich großartigen Job in dieser Krisenzeit. Er ist ein Leistungsträger, der einen großen Berg Probleme professionell abgearbeitet hat. Wir sind halt gerade in einer Zeit der Schlau-Schnacker, die im Nachhinein alles besser wissen.

Wie schlägt sich Armin Laschet als neuer CDU-Chef?

Günther Ich habe schon vor seiner Wahl gesagt, dass ich ihn unterstütze. Deshalb wird es Sie nicht überraschen, dass ich mit ihm zufrieden bin. Bemerkenswert ist doch, dass viele, die ihn nicht gewählt haben, mit seiner Arbeit zufrieden sind. Er ist einer, der Flügel zusammenbringen kann. Das ist seine Stärke. Er macht seine Sache gut.

Gleichwohl liegt CSU-Chef Markus Söder in der Beliebtheit noch weit vor Laschet. Beeinflusst das die Frage, wer Kanzlerkandidat wird?

Günther Das hat sicher auch Einfluss. Aber wir wissen, dass Beliebtheitswerte nicht immer stabil sind. Deshalb muss man auch auf andere Aspekte gucken. Am Ende steht in der Union natürlich die Frage, wem man am ehesten zutraut, eine Wahl zu gewinnen. Die beiden sind ja Teamplayer und werden sich sicherlich verständigen.

Lange Zeit hieß es in der CDU „Wenn Laschet es will, dann wird er es auch“. Jetzt sieht jeder, dass er will - richtig?

Günther Als Vorsitzender der größeren Partei wird er naturgemäß den Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben können. Aber ich habe Armin Laschet immer so verstanden, dass er sich mit Markus Söder zusammensetzt und einen gemeinsam getragenen Vorschlag unterbreitet. Ich bin überzeugt: Ein solcher Vorschlag wird dann auch breit getragen.

Bleibt es bei dem Fahrplan, die Entscheidung zwischen Ostern und Pfingsten zu klären?

Günther Ja, ich habe alle Bestrebungen, das möglichst schnell zu entscheiden, für völligen Mumpitz gehalten. Ich sehe das gelassen. Selbst wenn wir im Mai noch keinen Kanzlerkandidaten aufgestellt haben, wird da kein Hahn nach krähen. Aber augenzwinkernd füge ich mal hinzu: Es sollte einen Vorschlag möglichst vor der Bundestagswahl geben.

Die Grünen stehen auch vor der Entscheidung über einen Kanzlerkandidaten. Einen kennen Sie aus der Nähe: Kann Habeck Kanzler?

Günther Aus eigener Anschauung kann ich Robert Habeck bescheinigen, dass er Regierungsverantwortung kann. Er war in meiner Regierung ein guter Minister. Von daher traue ich ihm auf der Ebene alles zu.

Was wird aus Friedrich Merz? Noch mal eine führende Rolle?

Günther Friedrich Merz können wir im Team gut gebrauchen. Er hat große Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft. Das stellt keiner in Abrede. Ich freue mich, dass er für den Bundestag kandidieren will.

Wie gefährlich ist der Corona-Frust für das Abschneiden der CDU in den Landtagswahlen?

Günther Außerhalb von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stehen die Wahlen derzeit nicht im Fokus. In Zeiten der Pandemie beschäftigen sich die Menschen mit anderen Dingen. Ich wünsche meinen Parteifreunden viel Glück. In Krisenzeiten ist es immer schwer, gegen Amtsinhaber zu bestehen.

Was würden Sie im Bund vorziehen, Jamaika oder Schwarz-Grün?

Günther Ich habe mit Schwarz-Grün noch keine Erfahrungen. Eine Mehrheit für eine Jamaika-Koalition fände ich charmant. Dieses Bündnis verfügt über eine große gesellschaftliche Breite und ist eine ideale Voraussetzung für das Meistern der Herausforderungen in den nächsten Jahren. Damit lassen sich gesellschaftliche Bruchlinien auch mal zusammenbringen.  Es ist einfach eine Wunschkonstellation, um Ökologie und Ökonomie mit Freiheitsgedanken zusammen zu bringen. Aber seien wir ehrlich: Wenn es für ein Zweierbündnis reicht, wird es mit Jamaika nix.

Kommen wir zu den wichtigsten Fragen: Wird Holstein Kiel Pokalsieger?

Günther Sie stehen nicht nur im Halbfinale, sondern an diesem Montag vor einem wichtigen Spiel gegen den HSV um den Aufstieg in die Erste Liga. Im Pokal sind Dortmund und Leipzig respektable Gegner, aber nicht so gut wie Bayern. Deshalb hat Holstein sicher eine Chance.

Wie schwer fällt es, als Kieler Regierungschef Bayern-Mitglied zu bleiben?

Günther Zugegeben: Es war für mich das erste Mal im Leben, dass ich gejubelt habe, als Bayern als Verlierer vom Platz ging. Ich hatte echt ein schlechtes Gewissen dabei, denn ich habe als Kind in Bayern-Bettwäsche geschlafen. Mir geht es so wie vielen anderen Holstein-Fans, die über Jahre auch einen anderen Lieblingsverein in der Bundesliga hatten. Und jetzt kommt man halt in die Zwickmühle, wenn Holstein genauso gut ist.

Könnte man Ihnen also inzwischen auch mit Holstein-Bettwäsche eine Freude machen?

Günther Mein Holstein-Trikot ist mir sehr lieb geworden. Aber das trage ich nur tagsüber.

(mün, may-)
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