Groko Im Zoff um die Grundrente gibt’s Zunder

Berlin · Der Arbeitsminister legt einen Gesetzentwurf nebst Finanzkonzept vor – und die Union reagiert scharf: „Luftbuchungen“ wirft sie Heil vor.

 Die Grundrente bleibt ein Stressfaktor für die Groko. Nicht nur in Sachen Finanzierung – auch in der Frage, wer sie alles bekommen soll.

Die Grundrente bleibt ein Stressfaktor für die Groko. Nicht nur in Sachen Finanzierung – auch in der Frage, wer sie alles bekommen soll.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/MarianVejcik

Viele Menschen sind trotz langjähriger Arbeit im Alter auf Grundsicherung angewiesen. Die Groko ist sich in der Problemanalyse einig, streitet aber heftig um die Lösung. Jetzt hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sein genaues Konzept für eine „Grundrente“ vorgelegt, inklusive Finanzierungsplan. Und es gibt neuen Zoff. Ein Überblick:

Wie sieht das Konzept der SPD aus?

Es zielt auf Niedrigverdiener, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet haben. Kindererziehungs- oder Pflegezeiten werden berücksichtigt. Ihre erworbenen Rentenpunkte sollen aufgestockt werden, unabhängig davon, ob Vermögen vorhanden ist oder der Partner gut verdient. Bei Löhnen zwischen 24 und 40 Prozent des Durchschnitts werden sie verdoppelt, zwischen 40 und 80 Prozent auf 0,8 Entgeltpunkte angehoben. 2,9 Millionen Menschen könnten das beim Start 2021 beanspruchen, davon 2,75 Millionen, die schon in Rente sind. 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Im Ergebnis würde etwa eine Friseurin nach 40 Jahren Arbeit statt 512 Euro Rente nun 960 Euro erhalten. Auch für viele Empfänger von Grundsicherung soll es eine Verbesserung geben: Ein Viertel der Rente, maximal 106 Euro, soll auf sie nicht angerechnet werden.

Wer soll das bezahlen?

Die Gesamtkosten beziffert die SPD auf 3,8 Milliarden Euro im Einführungsjahr 2021, was bis 2025 auf 4,8 Milliarden Euro anwächst. Das Geld soll zu 50 Prozent, später zu 70 Prozent aus dem Bundeshaushalt kommen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will dafür 500 Millionen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer nehmen, 700 Millionen durch die Abschaffung der Umsatzsteuererleichterung für Hoteliers („Mövenpick-Steuer“). Neben Haushaltsmitteln soll der große Rest aus der Rentenversicherung kommen, angeblich ohne Belastung der Beitragszahler. Zum einen soll der Krankenversicherungsbeitrag für Rentner von 14,6 auf 14,0 Prozent gesenkt werden. Begründung: Sie bekämen kein Krankentagegeld, ihr Beitrag sei deshalb zu hoch. Zudem soll die Arbeitsagentur für Arbeitslose den vollen Rentenversicherungsbeitrag überweisen, statt nur 80 Prozent. Beides brächte 1,9 Milliarden Euro in die Rentenkasse. Das Konzept sei „solide finanziert“, sagte Heil.

Wie reagiert die Union?

Heftig. Das Finanzkonzept bestehe „allein aus Luftbuchungen“, sagte ihr haushaltspolitischer Sprecher Eckhardt Rehberg (CDU). „Kein Cent davon ist real vorhanden.“ Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) sprach von einem „finanz- und sozialpolitischen Offenbarungseid“. CSU-Mann Hans Michelbach warf Heil vor, sein Ministerium „für SPD-Propagandazwecke“ zu missbrauchen und forderte einen Entwurf „entsprechend dem Koalitionsvertrag“. Darin steht, dass die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, „honoriert“ werden soll, und zwar so, dass sie zehn Prozent über der Grundsicherung liegen. Darin steht aber auch, dass es bei der Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung gibt. Der Kreis würde sich so erheblich auf 130 000 Berechtigte verkleinern.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Zeitpunkt so kurz vor der Europawahl zeigt, dass es auch um Wahlkampf geht. Wohl auch für die Wahlen im Herbst in Ostdeutschland. Erst danach dürfte ernsthaft verhandelt werden. Beide Seiten haben sich sehr hochgeschaukelt. Denkbar wäre eine Nichteinigung – dann könnte die Grundrente zum Groko-Bruch führen. Es gibt aber auch Kompromissmöglichkeiten – auf beiden Seiten.

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