Ungelernte werden immer mehr abgehängt

DGB: Junge Leute ohne Berufsabschluss haben schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt

Deutschland ist mit seiner geringen Jugendarbeitslosigkeit ein Vorbild für die meisten anderen europäischen Staaten. Nach einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die unserer Zeitung vorliegt, gibt es aber auch hierzulande eine Gruppe junger Leute, die abgehängt zu werden droht: Junge Erwachsene ohne Berufsabschluss haben es immer schwerer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

In Deutschland leben insgesamt knapp zehn Millionen Menschen im Alter von 25 bis 34 Jahren. Davon hat laut DGB etwa jeder Sechste (rund 1,5 Millionen) keinen Berufsabschluss. Allen bildungspolitischen Lippenbekenntnissen zum Trotz gäbe es bisher keine ausreichenden Initiativen, um ungelernte jüngere Erwachsene durch geeignete Aus- und Weiterbildung in ihrem Erwerbsverlauf zu stabilisieren, sagte der Arbeitsmarktexperte beim DGB-Bundesvorstand, Wilhelm Adamy, unserer Zeitung. Deshalb liege die Ungelerntenquote in dieser Altersgruppe auch schon seit Jahren konstant bei etwa 15 Prozent.

Auffällig ist dabei laut Studie, dass die Bildungsarmut in hohem Maße erblich ist: 55 Prozent der Kinder von Eltern ohne Berufsabschluss haben ebenfalls keine entsprechende Qualifikation vorzuweisen. Die sozialen Konsequenzen für ungebildete junge Leute wiegen schwer: Sie sind wesentlich häufiger arbeitslos und wesentlich seltener in Vollzeit beschäftigt als ihre Altersgenossen mit Berufsabschluss. In den letzten zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit unter den Jüngeren ohne Berufsabschluss um zehn Prozent erhöht. Die Zahl der arbeitslosen jüngeren Fachkräfte ging dagegen im gleichen Zeitraum um ein Drittel zurück. Nur gut jede zweite gering qualifizierte Person zwischen 25 und 34 ist erwerbstätig. Bei den Gleichaltrigen mit Beruf sind es mehr als 80 Prozent. Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Unterschied auch in der Lohntüte bemerkbar macht: Un- oder angelernte junge Erwachsene sind doppelt so häufig im Niedriglohnsektor tätig wie gleichaltrige Fachkräfte. Mehr als 40 Prozent arbeiten für ein Monatsbrutto unterhalb der von der OECD definierten Niedriglohnschwelle, also weniger als zwei Drittel des Durchschnittlohns. Im August 2012 war gut eine Million der 25 bis 34jährigen ohne Beruf auf Hartz IV angewiesen. Das waren 10,2 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe. Bei der erwerbsfähigen Bevölkerungsgruppe insgesamt waren es nur 8,3 Prozent.

Nach Einschätzung Adamys wird der Qualifizierungsbedarf der un- und angelernten jungen Leute von den Betrieben und Bildungsträgern entweder gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. "Wenn wir jetzt nicht mehr in die Bildung dieser jungen Menschen investieren, wird das zu hohen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Folgelasten führen", warnte Adamy. Der DGB fordert deshalb ein Sonderprogramm, um die Weiterbildungsförderung für Geringqualifizierte im Hartz-IV-System auszuweiten. Ergänzend dazu sei ein steuerfinanziertes Bundesprogramm zur Qualifizierung von Erwachsenen ohne Beruf beziehungsweise mit einer nicht mehr auf dem Arbeitmarkt nachgefragten Ausbildung notwendig. "Mit einem Fördervolumen von 400 bis 500 Millionen Euro pro Jahr können voraussichtlich 30.000 Qualifizierungsmaßnahmen realisiert werden", rechnet der DGB in der Untersuchung vor. Zugleich müsse die Weiterbildungsberatung für Klein- und Mittelbetriebe ausgebaut werden.

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