FDP Der liberale Überflieger übt sich in Zurückhaltung

BERLIN (dpa) Ist das die neue Demut der FDP oder schon Angst vor den kommenden Aufgaben? Während die Grünen bereits kurz nach der Bundestagswahl mit Getöse ihren 14-köpfigen Sondierungstrupp präsentierten und damit zeigen wollten, wie großartig sie auf eine Regierungsbeteiligung vorbereitet sind, hielt sich die Spitze der Liberalen auffällig zurück.

 FDP-Chef Lindner könnte Finanzminister werden – falls er will.

FDP-Chef Lindner könnte Finanzminister werden – falls er will.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Als auch noch CDU und CSU ankündigten, mit jeweils der gleichen Stärke in die Jamaika-Sondierungen mit FDP und Grünen ziehen zu wollen, meckerte FDP-Vize Wolfgang Kubicki denn auch, das sei viel zu viel und wenig vertrauensbildend. Gestern teilte die FDP fast schon demonstrativ mit, dass sie nur mit einer vierköpfigen Kernmannschaft in die Sondierungen gehen und je nach Thema noch Fachleute hinzuziehen will.

Christian Lindner, der Mann, der mit weitem Abstand an der Spitze der Liberalen steht, hat sein gestecktes Ziel, nach vier Jahren wieder in den Bundestag einzuziehen, mehr als erreicht. Alles, was jetzt kommt, ist Zugabe, ist das Sahnehäubchen. Schon am Wahlabend tat sich für Lindner unversehens ein ganz neues Ziel auf: eine Regierungsbeteiligung in einem Dreier-Bündnis, das es auf Bundesebene so noch nicht gegeben hat, und der Job eines Vizekanzlers mit 38. Doch Vizekanzler als was? Schnell machte die Runde, Lindner soll Finanzminister werden. Der FDP-Chef wich aus: „Wir brauchen eine neue Finanzpolitik, keinen neuen Finanzminister.“ Das deuteten weniger Wohlmeinende dahingehend, dass er sich dieses Ressort nicht zutraue. Doch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lockt Lindner, indem sie den bisherigen Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) dazu bewegen konnte, seinen Posten zu räumen und Bundestagspräsident zu werden. Als wollte sie sagen: Jetzt spring‘, und zeig‘ was Du kannst.

Nun steht Lindner quasi vor dem großen Tor des Finanzministeriums. Wenn er hindurchgeht, warten wahrlich keine kleinen Aufgaben. Die FDP warb im Wahlkampf damit, die Bürger könnten mit mindestens 30 Milliarden Euro entlastet werden, darunter auch Steuererleichterungen, etwa die Abschaffung des Soli schon 2018. Dazu wäre aber der Bundesrat nötig.

Zudem warten auf Lindner im Kreise der europäischen Finanzminister nicht viele Freunde. Die Griechen, denen der FDP-Chef immer wieder mit Rausschmiss aus der Eurozone drohte, sehen in ihm einen Mann, der noch schlimmer wäre als Schäuble. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht in Lindner einen Bremsklotz für seine europäischen Reformvorschläge. Unionsfraktionschef Volker Kauder erhöhte jetzt auch noch im „Spiegel“ den Druck. „Ich bin zuversichtlich, dass die Schwarze Null ein gemeinsames Jamaika-Ziel wird“, sagte der CDU-Politiker. Soll wohl heißen: Lindner soll sagen, was er will, sonst bleibt das Ministerium bei der Union. Und wenn er es nimmt, muss Schäubles Erbe stehen.

Hinter den Kulissen wird schon eine Alternative aufgebaut: ein um die milliardenschwere Digitalisierung aufgeblasenes Superbildungs- und Forschungs-, oder Wirtschaftsministerium. Doch Lindner muss gut abwägen, ob er wie Guido Westerwelle 2009 kneift, wenn es um das Finanzministerium geht. Zurückhaltung legt Lindner in diesen Tagen der gesamten FDP-Spitze nahe. Damit wird es für die potenziellen Jamaika-Partner und die Kanzlerin schwierig einzuschätzen, welche FDP eigentlich hinter Lindner steckt: eine neue oder doch die alte.

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