Interview Tobias Lindner „Der Teilabzug macht Europa unsicherer“

Berlin · Der Verteidigungs-Experte der Grünen kritisiert die Pläne der US-Regierung, ein Drittel der in Deutschland stationierte Truppen zu verlegen.

 Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Tobias Lindner.   Foto: Jörg Carstensen/dpa

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Tobias Lindner. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Foto: Jörg Carstensen/dpa/Jörg Carstensen

Die USA wollen knapp 12 000 US-Soldaten aus Deutschland abziehen. Weder für die USA noch für die Nato sei damit irgendetwas gewonnen, meint der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner.

Herr Lindner, die Linken begrüßen den Teilabzug der US-Streitkräfte. Die Grünen auch?

LINDNER Die Entscheidung von US-Präsident Trump ist weder eine, die man bejubeln sollte, noch eine, die zum Katzbuckeln gegenüber Washington verleiten darf. Mich besorgt allerdings die Art und Weise von Trumps Vorgehen. Sie zeugt von einer tiefen Zerrüttung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Daran kann außer vielleicht der Linkspartei niemand ein Interesse haben. Und der andere Punkt ist, dass der Teilabzug Europa nicht sicherer, sondern unsicherer macht.

Wie meinen Sie das?

LINDNER Ein Teil der Truppen soll zurück in die USA geschickt werden. Das heißt, die militärischen Fähigkeiten, die Sicherheitsgarantien der USA für Europa nehmen ab.

Der andere Teil soll aber in andere europäische Staaten verlegt werden.

LINDNER Europa wird doch nicht dadurch sicherer, dass Truppen zum Beispiel nach Polen verlegt werden. Es gibt die Nato-Russland-Grundakte, die eine dauerhafte massive Truppenpräsenz des transatlantischen Verteidigungsbündnisses in den östlichen Nato-Beitrittsländern ausschließt. Auch dieser offenkundige Widerspruch ist für mich Anlass zur Sorge.

Was ist mit der Sicherheit Deutschlands?

LINDNER Die ist eher weniger berührt. In weiten Teilen war die US-Truppenpräsenz hier vorrangig im Eigeninteresse Washingtons. Dazu gehören das Oberkommando der US-Armee in Wiesbaden und das US-Europa-Hauptquartier in Stuttgart, eine Schlüsseleinrichtung, die nun abgezogen werden soll. Deutschland ist in erster Linie eine Basis für US-Operationen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.

Trump begründet seine Entscheidung damit, dass Deutschland viel zu wenig für die Verteidigung ausgebe. Ist das nicht tatsächlich ein wunder Punkt?

LINDNER Es gibt einen Streit in der Nato darüber, wie die getroffene Vereinbarung zu interpretieren ist, wonach jedes Mitgliedsland zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär ausgeben soll. Verabredet ist, sich darum zu bemühen, in Richtung zwei Prozent zu gehen. Doch wie auch immer, für mich ist das ein irrsinniger Indikator, daran die Lastenverteilung innerhalb der Nato auszurichten. Jedes Mitgliedsland muss einen fairen Anteil tragen. Aber Maßstab sollte die jeweilige Bereitstellung von militärischen Fähigkeiten sein.

Was erwarten Sie jetzt von der Bundesregierung?

LINDNER Sie sollte einen kühlen Kopf bewahren und bei transatlantisch orientierten US-Abgeordneten werben, zu bremsen, was zu bremsen geht. Manche Pläne wie die Verlegung des Stuttgarter Europa-Hauptquartiers nach Belgien bräuchten ohnehin Jahre bis zur Umsetzung. Denn dort müsste erst einmal gebaut werden. In den USA ist das letzte Wort über Trumps Entscheidung noch nicht gesprochen.

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